Glauben an wen oder was?

In dem Eintrag zum Gottesbild hatte ich darauf hingewiesen, dass es bei Buber viele inspirierende Gedanken gibt, die ab und an jedoch auch einen herausfordernden Charakter haben. Einer dieser herausfordernden Punkte ist seine Ausführung zu den Unterschieden des Glaubens der Juden und der Christen. Im Folgende schreibt er zunächst über den Glauben, von dem Jesus geredet hat um dann die Veränderung aufzuzeigen, die Glaube bei Paulus und Johannes erfahren hat:

»Der Glaube, den er gepredigt habe, sei der des jüdischen Emuna, des unbedingten Vertrauens zur Gnade, gewesen.

Später dann hätten Paulus und Johannes den Glauben an Christus (pistis) als die einzige Möglichkeit zur Erlösung hingestellt, damit aber die für die Juden außerordentlich wichtige unmittelbare Beziehung zwischen Gott und dem Menschen in den Schatten treten lassen.«

[Hans-Christian Kirsch, Martin Buber: Biographie eines deutschen Juden [Freiburg: Herder, 2001], 182.]

Glaube bedeutet nach Buber im Judentum vor allem eine dialogische Beziehung zwischen Mensch und Gott, was er jedoch „dem christlichen Glauben“ abspricht. Seiner Ansicht nach hat sich Glaube im Christentum von der Beziehung zu einem für wahr halten bestimmter Aussagen – bzw. Glaube an die Person Jesu verändert.

Meiner Ansicht nach kann dies jedoch so nicht gesagt werden, da die dialogische Beziehung zwischen Mensch und Gott weiterhin das Herzstück meines Glaubens ist. Dennoch können manche Stellen aus dem Evangelium nach Johannes auf den ersten Blick in der Richtung Bubers verstanden werden.

Es scheint mir darüber hinaus denkbar, dass das was wir unter Orthodoxie kennen von außen ebenfalls in der Weise Bubers wahrgenommen werden könnte.

Inwieweit sind die Gedanken Bubers zum Glauben der Christen für dich nachvollziehbar?

13 Reaktionen

  1. mich wundert das etwas weil er von einer sehr oberflächlichen definition von glaube ausgeht. pistis geht ja viel weiter als ein für-wahr-halten. es bedeutet auch vertrauen und treue.
    alle drei momente konstituieren den christlichen glauben: ich halte die aussagen der schrift für wahr, werfe deswegen mein vertrauen auf jesus und halte in treue an meinem neuen bekenntnis fest.
    sobald ein moment wegfällt ist es nicht mehr der glaube der rettet. vermutlich blogge ich irgendwann mal wieder darüber…

  2. Es steht ja außer Frage, dass wir ein falsches Verständnis von Glaube als Für-Wahr-Halten entwickelt haben („wenn Du das glaubst,dann hebe die Hand und Du bist errettet“). Aber das liegt nicht am NT, sondern wohl eher an den Kirchenväter a) Christentum ist die richtige Philosophie b)Auseinandersetzung mit der Gnosis (vgl. christl. Gnosis: Christus bringt die rechte Erkenntnis, die nimm an und Du gehörst zum Kreis der Eingeweihten)und Eindringen von Neuplatonismus c)Kämpfe um die rechte Lehre (vgl. Frage nach innertrinitarischen Beziehungen und Verhältnissen). d)Missionarische Tätigkeiten bis rein ins Mittelalter („Ihr Barbaren müßt nur übertreten, die Glaubenssätze unterschreiben, das Bekenntnis sprechen, aber Eure alten Bräuche könnt Ihr gerne weiterverfolgen, uns juckt nicht, ob ihr mit diesem Gott persönlichen Umgang pflegt“). Und so gehts grad weiter bis heute (vgl. noch vor kurzem Evangelikal vs. liberal, was ist bibeltreu hihi…).

    Die entscheidende Glaubensdefinition der Bibel find ich in Hebräer 11: Hör auf das, was Gott geredet hat, und richte Dein Leben danach aus. Aber das versuchen wir ja…

  3. Woher weiß Buber, dass Jesus es so gemeint hat? Ist ja nur eine These, die müsste er für meinen Geschmack aber erst mal stichhaltig belegen.
    Es kommt mir so vor als ob er versucht Gott gegen Jesus auszuspielen, wobei er dabei aber den Anspruch Jesu auf Göttlichkeit übergeht und letztlich die Trinität in Frage stellt. Wenn man das Vertrauen auf die Wahrheit versucht gegen die Beziehung auszuspielen, dann vergisst man, dass Gott sich an die schriftliche Offenbarung gebunden hat und sie der Schlüssel zur Beziehung wird. Wenn ich glaube was ich dort lesen und darauf vertraue, dann erlebe ich den, der dahinter steht live.

  4. Danke für die Kommentare bis hier her.

    Interessant ist ja, wie du DoSi sagst, dass in der Kirchengeschichte an mehreren Punkten ein solches für wahr halten propagiert und auch aus der Bibel abgeleitet wurde. Buber geht zusammen mit einigen evangelischen Theologen davon aus, dass solche Ideen Eingang in das Neue Testament gefunden haben. Und das ist auch der Teil der Frage, der mich am meisten interessiert. Da ich in der Zeit seit ich die Bubersachen lese über einige Stellen gestolpert bin, die, wenn man möchte, so verstanden werden können. Ich weiß auch, dass der pistis-Begriff weiter ist [denke von der Wortbedeutung auch noch weiter, wie die drei Aspekte, die du Storch angeführt hast], ich frage mich dennoch inwieweit vielleicht schon Teile der Urgemeinde von dem Glauben als Beziehung abgewichen sind – und dadurch eine solche Haltung „biblisch belegbar“ wurde.

    Du hast schon gelesen, JP, dass das nur ein kleines Zitat aus der Biographie Bubers war, das ich hier gepostet habe? Buber belegt seine Sicht dessen wie Jesus Glaube sieht meiner Meinung nach gut und ich denke auch, dass er damit recht hat. Und bezüglich der Trinitätsfrage ist es denke ich wichtig zu sehen, dass Buber Jude war, oder? Die Frage mit der Bindung Gottes an die Offenbarung und der damit zusammenhängende Schluss, dass sie der Schlüssel zu einer Beziehung mit Gott ist, teile ich so nicht.

    Oh… ein paar lange Gedanken.

  5. Mache gerade an den Bubergedanken weiter und habe etwas interessantes in seinem Buch »Zwei Glaubensweisen« gefunden:

    »Das Vertrauensverhältnis beruht auf einem Status des Kontakts, eines Kontaks meiner Ganzheit, mit dem, zu dem ich Vertrauen habe,

    das Anerkennungsverhältnis auf einem Akt der Akzeptation, einer Akzeptation durch meine Ganzheit, dessen, was ich als wahr anerkenne.

    Sie beruhen darauf, sie sind es nicht.

    Der Kontakt im Vertrauen führt naturgemäß zur Akzeptation dessen, was von dem ausgeht, dem ich vertraue.

    Die Akzeptation der von mir anerkannten Wahrheit kann zum Kontakt mit dem führen, von dem sie Kunde gibt.«

    [Martin Buber, Zwei Glaubensweisen [Zürich: Manesse, 1950], 6.]

    Siehst du, Storch, Teile deiner Argumentation in dem, was er zur Möglichkeit des Kontakts mit der Person von dem die Wahrheit [um in dem BIld von oben zu bleiben] spricht?

    Und kann es sein, dass er hier von demselben spricht, was du, JP, mit der Offenbarung als Schlüssel gemeint hast?

  6. Ja lustig wird es, wenn wir Bibel gegen Bibel ausspielen, Jesus gegen Paulus. Neutestamentliche Vorstellungen, die von Christus abweichen. Auf das Eis begebe ich mich nicht, ich bleib bei „tota scriptura“. Und da bleibt Glaube bestehen aus dem Wissen von Gottes Existenz, dem Festhalten an seiner Offenbarung, die Setzung der Bibel als norma normans für mein ganzes Leben und natürlich der lebendige Umgang mit Gott, welcher dann auch ins praktischen Ausleben des von Gott her erkannten mündet.
    Sorry, keine Zeit und daher sehr gerafft…

  7. @Tilman: Paulus war im Himmel, was er mal kurz erwähnt und argumentiert bei den Galatern, dass er seine Lehre direkt von JC hat und nicht von Menschen. Trinität ist die einzige dmekbare Folgerung, wenn man alle göttlichen Offenbaung der Bibel ernst nimmt, aber wie gesagt etwas zu wenig Zeit und es würde auch den Kommentar sprengen ;).
    Sonst find ich DoSi’s Kommentar sehr treffend. Ich gehen lieber von einer Einheit der Schrift aus, als sie gegeneinander auszuspielen. Ist aber zu komplex, um mal kurz zu posten… .
    Peace und Grüsschen.
    check http://www.jesusfreaksjapan.de ab Montag wirds da spannend, yea!

  8. @depone:

    „Und bezüglich der Trinitätsfrage ist es denke ich wichtig zu sehen, dass Buber Jude war, oder?“

    wenn er (=buber) aber christentum und judentum gegenueberstellt, dann muss er doch den trinitaetsgedanken der christen miteinbeziehen, oder etwa nicht?

    ich hab‘ das immer so gesehen, das das betonen von jesu rolle (als teil der trinitaet aus uns’rer sicht, klar) die gott-mensch-beziehung vervollkommnet bzw. letztlich dann das erscheinen des heiligen geistes noch dazu.

    oder verraff‘ ich hier den kern der sache?

    (bin dem teils etwas schwerfaelligen fachvokabular nicht so ganz gewachsen, muss ich gesteh’n, aber pack’s nicht, meinen mund zu halten).

    andererseits ueberleg ich grad‘ (zum ersten mal, deshalb ziemlich schwer), wie ein jude das sieht mit der beziehung mensch – gott.

    letztlich dreht sich doch wirklich alles drum, diese zu erhalten/erlangen, oder? (von wegen gesetze, opfer etc.)

    wenn ein jude dann den christen betrachtet, kann es schon so aussehen (ausserhalb der bibel wie sicher auch innerhalb – obwohl ich letzteres jetzt nicht durchgedacht hab, also kein bsp.), als vernachlaessigten wir diese beziehung.

    weil wir ihr nicht mehr hinterherrennen muessen, auf sie bauen wie eine selbstverstaendlichkeit:

    tuere ist offen, weg frei, suende weg,….

    Ich weiss nicht. Ist das so ganz und voellig verquer?

  9. @depone: Mit der Offenbarung Gottes durch die Bibel als Schlüssel zur Beziehung zu ihm meine ich es so, dass sie die „revelatio spezialis“ ist, die mir die „revelatio Generalis“ aufschließt. Die Bibel gibt den Rahmen oder das Fundament, um Gott in allem Dingen erfahren zu können, sie zeigt mir den Zugang zu IHM in Jesus und ist der Schlüssel, um in die Gottesbeziehung hineine zu kommen (sorry alle Vergleiche hinken). Klar ist, dass es dann weiter geht und Gott auch nicht darauf beschränkt ist. Doch bei allem ist aber eben die spezielle offenbarung Gottes nötig, um die allgemeine in der Schöpfung zu sehen und zu verstehen, sonst basteln der Mensch sich selbst einen Gott zusammen, weil der Mensch an sich eben aus sich selbst nicht zu ihm kommen kann. Ich meine aber nicht, dass Gott sich in der speziellen Offenbarung nur der Bibel bedient, die spezielle Offenbarung an sich war ja Jesus und dann hat er ja auch noch Visionen, Träume, Engel, Prophetie usw. auf Lager.
    @Unterschiede bei Jesus und Paulus/Johannes:
    Die Sache mit der Annahme, dass sich die Bibel in sich „wiederspricht“, bzw. die frühe Kirche verantwortlich ist, dass es bestimmte abweichende Aussagen gibt, kommt denke ich hauptsächlich von zwei Ursachen. Erstens daher, dass bei den meisten Theologen, die solch einen Standpunkt vertreten die Briefe spät datiert werden und sie davon ausgehen, dass sie nicht von den orginal Autoren kommen, sonder Pseudepigraphen sind, die zu einer Zeit abgefasst wurden, als die Gemeinden schon verbeamtet waren. Dann noch kommt noch ein Fortschrittsdenken dazu, also das es von einfachen Gemeindestruckturen am Anfang zum Komplexen geht und dann die verbeamtet böse paulinische Kirche, die Sachen rein geschrieben hat, die nicht jesusmäßig sind. Wenn ich jetzt davon ausgehen, dass die Briefe wirklich von Paulus und Johannes sind, dann fehlt erstens die Zeit, dass die zu Grunde gelegte Entwicklung statt gefunden hat. Und wenn ich die Gemeindestruckturen bei Paulus ansehen, dann finde ich keine komplexe Beamtenkirche, sondern eben eine Strucktur, die den anfänglichen entspricht, oder? Ich glaube nicht, dass sich die Strucktur der Gemeinden bis Paulus gewandelt hat. Später kamen dann ja schon einige Hämmer, aber zu Zeit der Brief, wenn man sie früh datiert, gab es keine Beamtenkirche.
    War jetzt lang der längste Kommentar meines Lebens…, aber wenn man mal Zeit hat:)

  10. ich hoffe, dass ich den jp net nerv mit meiner fragerei…egal:
    1. waren nicht viele der urgemeinden jüdische gemeinden mit deren struktur, also in denen die ersten christen noch sabbat etc. mitgefeiert haben? jesus sagt ja im großen auch nichts gegen die jüdischen gemeindestrukturen und paulus kannte diese laut seiner biographie nur zu gut…nur die heiden hatten halt probleme mit den strukturen (korinth und konsorten…).
    2. was ist qualitativ z.b. der unterschied zwischen der offenbarung von paulus und der offenbarung mohammeds (ok, krasser vergleich, egal)? ich mein mohammed beansprucht den erzengel gabriel als überbringer…klar steht jesus über gabriel, dennoch kennen wir den gabriel ja auch aus der bibel…hindert uns dann etwas daran, koran zu lesen und darin über gott zu lernen?

  11. Hmm, würde eigentlich was fehlen, wenn es die Dreieinigkeit nicht gäbe? Also meines wissens, wurde die per kaiserlichem Schlag auf den Tisch durchgesetzt. Was wäre wenn Jesus Sohn Gottes aber nicht Gott wäre, der heilige Geist nur Helfer und nicht Gott wäre, deshalb wäre ja die Bibel nicht falsch und würde auch ein stellvertrettendes Opfer durch Christus nicht ausschließen. Was ist mit Abraham, dam sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet wurde, also doch nur der Glaube. Was ist der Unterschied zwischen die Bibel ernst und zu wörtlich zu nehmen?

  12. […] Im Gespräch zu dem Artikel »Glauben an wen oder was« kamen wir auf Bubers Verständnis des Evangeliums nach Johannes zu sprechen. In den Büchern Bubers klingt immer wieder an, dass er, ähnlich mancher Theologen, Johannes als von der Gnostik beeinflusst wahrnimmt. In der Vorbereitung auf den letzten Gottesdienst habe ich mich etwas mit den Hintergründen des Buches beschäftigt, wovon ich nun schreiben möchte. […]

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