Johannes und die Gnosis
Im Gespräch zu dem Artikel »Glauben an wen oder was« kamen wir auf Bubers Verständnis des Evangeliums nach Johannes zu sprechen. In den Büchern Bubers klingt immer wieder an, dass er, ähnlich mancher Theologen, Johannes als von der Gnostik beeinflusst wahrnimmt. In der Vorbereitung auf den letzten Gottesdienst habe ich mich etwas mit den Hintergründen des Buches beschäftigt, wovon ich nun schreiben möchte.
Ich gehe davon aus, dass Johannes, als er sein Buch über das Leben Jesu geschrieben hat, Menschen im Hinterkopf hatte, die mit der Gnosis in Berührung gekommen sind. Sein Wunsch war es diese Menschen mit in die Geschichte hinein zu nehmen und ihnen dadurch zu helfen Jesus zu vertrauen… aus diesem Grund hat er sich mit dem Denken der Gnosis auseinandergesetzt.
Wie wir alle wissen prägt eine Auseinandersetzung mit einem bestimmten Denken auch unser eigenes Denken. Meiner Meinung nach ist es nicht möglich sich nur aus der Distanz mit etwas zu beschäftigen, richtige Beschäftigung mit einem Thema involviert mich selbst. Lasse ich mich nicht darauf ein, bleibt die Beschäftigung oberflächlich und ich komme nicht zu einem wirklichen Verständnis dessen mit dem ich mich beschäftige. Daher würde ich eine oberflächliche Art der Beschäftigung mit einem »Kennen-vom-Hörensagen« vergleichen. Ein solches Kennen reicht meiner Meinung nach jedoch nicht aus ein Buch zu Schreiben, welches Menschen in eine Geschichte mit hinein nimmt, die von einem bestimmten Denken geprägt sind.
Diese Gedanken führen mich zu der Annahme, dass Johannes seinen Job gut gemacht hat. Er hat sich mit dem Denken der Gnosis auseinandergesetzt, es hat bis zu einem bestimmten Grad sein Denken geprägt und er hat es geschafft so zu schreiben, dass Menschen, die mit der Gnosis in Berührung kamen einen Zugang gefunden haben – und Menschen, die der Gnosis kritisch gegenüber stehen, diese Gedanken ebenfalls finden, sie jedoch als Kritik an seinem Buch verwenden. Dennoch würde ich nicht so weit gehen zu sagen, dass das Buch von Johannes ein gnostisches Buch ist, da er gerade wichtige Unterschiede zum Denken der Gnosis aufzeigt… er führt vielmehr darüber hinaus.
Die Unterschiede, die im Buch von Johannes deutlich werden, können relativ leicht erkannt werden, wenn einige grundlegende Gedanken der Gnosis dargestellt werden. Die Gnosis ist eine Denkrichtung, die verschiedene Religionen vermischte und auf dem Denken der griechischen Philosophie basierte [Teil davon war]. Die Bezeichnung Gnosis kommt von dem griechischen Wort ginosko, das erkennen bedeutet und so weist der Name bereits darauf hin, dass Erlösung hier durch Erkenntnis bzw. Wissen möglich ist. Die Erkenntnis kann auf zwei verschiedene Arten erreicht werden – entweder indem man dafür arbeitet oder durch Erleuchtung.
Das Welt- und Menschenbild der Gnosis ist von einem starken Dualismus geprägt. Es wird also strikt zwischen Geistlichem [welches als gut angesehen wird] und Materiellem [welches schlecht ist] unterschieden. Aus dieser Sicht folgt auch der Gedanke, dass die Entstehung der Welt und mit ihr aller Materie ein böser Unfall war, der von einem schlechten Gott [darin sehen sie den Gott, der im Alten Testament vorgestellt wird] verursacht wurde. Der eigentliche Gott muss demnach absolut weltfrei sein. Dieses Denken führt weiter zu einer Ablehnung des Alten Testaments und dazu, dass es unvorstellbar bleibt, dass ein Gott Mensch werden kann [wobei das für mich auch gegen die griechische Mystik steht]. Die Seele ist ihrem Denken nach der eigentliche Mensch, der in seinem Körper, einer materiellen Hülle gefangen ist und auf die Befreiung aus dieser Gefangenschaft wartet.
Gnostisches Denken findet sich bis heute sowohl in manchen christlichen wie esoterischen Kreisen. Wie gesagt sehe ich bei Johannes anklänge dieses Denkens aus dem Grund, dass er Menschen, wie wir, die mit diesem Denken in Berührung kamen in die Geschichte Jesu mit hinein nehmen wollte, sein Buch ist jedoch von der Inkarnation Gottes in Jesus Christus geprägt [sie ist die Grundlage, der rote Faden, der sich durch alles zieht], welche ja gerade von einer Bejahung der Schöpfung erzählt…
Cool. Ich bin vor einigen Wochen in einem Gottesdienst auf das Verhältnis von Johannes und der Gnosis eingegangen. Gib mal bei Google-Bildern „Gnosis“ ein….die Anthroposohie von Rudolf Steiner ist eine aktuelle Bewegung, die gnostische Gedanken in Reinkultur pflegt. Es gibt nichts Neues unter Sonne. Nicht nur bei Theologen und Gemeindebauern, sondern auch im Gewirr von Esoterik und Geheimlehren.
Have a nice day. Mike