Der verschlafene Skandal
Im Urlaub hatte ich die Zeit wieder einmal eine komplette ZEIT Ausgabe durchzulesen und dabei kam ich zu einem Artikel aus dem ich den letzten Abschnitt zitieren möchte, da er meiner Ansicht nach etwas zu dem „Grass-Skandal“ sagt, das ich gerne auch hier erwähne:
»Und noch etwas Tieferliegendes zeigt sich an diesem spät zündenden Skandal. Nach dem gloriosen WM-Sommer unserer entspannten Selbstversöhnung schien die Vergangenheit endlich vergangen. Niemand hielt den Grass für das Buch der Saison. Olle »Ich war dabei«-Kamellen, die man sich aus Pflichtgefühl anschaut, keinesfalls begierig, bestenfalls rechtzeitig. Wie dünn der Firnis dieses Selbstbetrugs war, zeigt sich jetzt. Acht Buchstaben und ein Bindestrich aus finsterer Zeit, und die Republik kocht. Das ist unsere Normalität. Vergangenheit ist eben noch lange nicht vorbei. Dafür hat unter anderen Günter Grass gesorgt. Wir sollten ihm dafür dankbar sein.
[DIE ZEIT Nr. 35, 24. August 2006, Seite 42. Von Christof Siemes.]
Und jetzt? Was hilft es der Nation, dass einer der ganz großen auch dabei war? Was hat das Geständnis mit einem positiveren Lebensgefühl (WM)in D’Land zu tun? Ist es vielleicht nicht eher so, dass weil es eine positivere Selbstwahrnehmung in D gibt, so ein „Grass-Skandal“ entspannter genommen werden kann. Nicht verleugnend, sondern entspannter? Eine positivere Selbstwahrnehmung „der Nation“ nehme ich sowieso eher seit Schröders nein zum Irak Krieg wahr denn seit der WM. Wobei die WM dieses schon vielleicht, eventuell, hoffentlich (?) vertieft bzw. an die Oberfläche gespült hat?! Schön wenn der ZEIT Autor, die Geißel der Vergangeheit braucht. Vielleicht gibt sie ihm ja Sinn, oder Daseinsberechtigung. Aber braucht das die Nation? Brauchen wir das als Volk. Warum können wir nicht mit Wachsamkeit und Aufrichtigkeit auf unsere Vergangenheit schauen? Warum müssen wir dabei (immer) so sarkastisch sein? Beziehen wir daraus etwas unsere Legitimität als denkende? Das wäre natürlich ein krasses missverständnis.
Nachtrag: Lieber Daniel, lese Deinen Blog echt gerne. Wollte ich nur sagen. Grüße,
Marcus
ich hatte nicht das gefühl, dass die äußerung von grass zu seiner zugehörigkeit zur waffen-ss entspannt genommen wurde. es hat einfach nur ziemlich lange gedauert bis sie zu einem skandal wurde. erst nach dem faz-interview in dem scheinbar enthüllt wurde, entstand ein skandal, oder?
ich denke, dass das was du mit »wachsamkeit und aufrichtigkeit« beschreibst das ist, was der zeit-autor gerne hätte und nicht eine »alles ist gut wir sind ›schwarz rot geil‹ stimmung« – die manche nach der wm so genossen.
der sarkasmus des artikels bezieht sich meiner ansicht nach auf den skandal, der daraus gemacht wurde.
ok, da gehe ich mit. Dennoch nervt es mich, wenn sich in solchen Sachverhalten eher sarkastisch geäußert wird. Wie ein bekannter von mir neulich in Bezug auf den Spiegel schrieb: “ Wenn ich den Spielgel gelesen habe, hasse ich fünf Leute mehr, welche ich vorher gar nicht kannte“. Das ist es was ich nervig an unserer sogenanten investegativen Presse finde. Das war mein Punkt.
Jaja,
mir ging Grass Krass auf die Nerven, „ein Kommentar sagte, weiß leider nicht woher mehr, „offenbart sich, will aber sofort wieder geliebt werden“. Denn dass Grass dabei war wußte man schon vorher, nur nicht genau wo, und er war 17 eingezogen kurz vor Kriegsende. Für mich hat es eher was von PR-Aktion für ein lammes Buch. Mitläufer und Verehrer, das ham wir schon gewußt, das hat er schon gesagt und dass waren soviele unser Großelterngeneration, dass hätte niemand wirklich interessiert, aber SS läßt uns erschaudern und unseren Zorn erregen, und vielleicht ein Buch interessant machen.
Gruss Jens
War die Waffen-SS nicht eine militärische Einheit zu der gegen Kriegsende sogar Leute zwangsverpflichtet wurden ?
Ist es dann nicht so, dass nicht jeder der dort war zu verurteilen ist ?
Warum wird eigentlich so sehr wert gelegt auf die Trennung zwischen der bösen Waffen-SS und der angeblich guten Wehrmacht ?
Meiner Meinung nach ist jeder ein Verbrecher (man darf glaub ich in Deutschland sogar Mörder sagen) der freiwillig Menschen tötet bzw. sich freiwillig dazu meldet.