Offenheit
Schon am Abend des Arte-Themenabends zum ›christlichen Fundamentalismus‹ hatte ich einen Eintrag in meinen Gedanken begonnen, den ich dann am nächsten Morgen in Stichworten tippte… er erschien mir jedoch nicht des veröffentlichens wert, da ich unsicher war, ob er das auszudrücken in der Lage war, was ich empfand. Ein Gedanke im Bezug auf diesen Themenabend blieb jedoch bei mir, über ihn möchte ich nun kurz schreiben.
Wenn wir unsere Gesellschaft beobachten, bzw. mit offenen Augen und Ohren durch unser Leben gehen, dann stellen wir eine ›spirituelle Offenheit‹ fest. Spirituelle Themen tauchen an vielen Punkten in unserem Alltag auf. Manch einer hat sich in diesem Zusammenhang schon sehr gefreut, da er hier »Chancen für das Evangelium« sah.
Neben dieser ›spirituellen Offenheit‹ ist jedoch eine vorsichtige Haltung gegenüber ›organisierter Religiosität‹ in Form von Kirchen und Dogmen real. Wobei vorsichtige Haltung noch sehr mild ausgedrückt ist. In den Texten zum Themenabend wurde ebenso, wie später in stärkerer Form im Arte-Forum ein Feindbild mit Namen ›Evangelikale‹ gezeichnet. Prof. Hurrelmann sprach schon in der Shell Jugendstudie 2002 davon, dass Jugendliche vor jeder Art von Engfassung zurückschrecken.
Insofern wage ich zu sagen, dass die ›spirituelle Offenheit‹ in der Gesellschaft keine »Chance für das Evangelium« darstellt, so lange dieses mit ›organisierter Religiosität‹ verbunden ist. Denn ein Einlassen auf das ›Evangelium‹ würde in aller Regel bedeuten die Spiriualität auf einen Punkt auszurichten und somit in gewisser Weise eine Engführung zu aktzeptieren.
Zumindest im Punkt Evolutionismus trifft diese Einschätzung nicht zu. Da interessiert es keinen, wer da organisiert sein soll, oder nicht. Da wird i.d.R. ohne zuzuhören sofort zugeschlagen.
Und das Evangelikale organisierter seien sollen, als die Staatskirchen, wage ich auch zu bezweifeln (denn erstere werden ka als Feindbild dargestellt). Ich glaube nicht, daß das der Knackpunkt für die Jugentlichen und dieser Themenreihe ist. Da ging es mehr um ein Stigmatisieren als sektiererische Spinner, die angeblich fundamentalistisches Fanatikertum betreiben. Ob die das nun organisiert oder unorganisiert tun, ist wohl eher egal.
Das „Engfassen“, wogegen die sind, ist schon, daß wir sagen, nur Jesus ist der Weg zu Gott und alle anderen irren sich. Das ist schon zu eng. Und ohne das kannste dein Eveangelim nun mal ganz knicken.
ich sehe das problem spez. in d-land ein wenig anders gelagert. meine erfahrung ist die, dass sich „minderheitskirchen“ gegenüber den „volkskirchen“ immer rechtfertigen müssen. in dem schrank „christliche religion“ ist nur platz für zwei bekannten volkskirchen. schubladen für minderheitskirchen werden nur schwer und von wenigen akzeptiert.
jetzt nenn ich mal die minderheitskirchen „evangelikal“, die von den sektenbeauftragten der beiden volkskirchen in den meisten fällen als „fundamentalistisch“ eingestuft werden.
daraus resultierend entstehen vorurteile, ohne genaue gründen dafür zu haben.
deshalb würde ich eher von einer verminderten „spirituelle offenheit“ gegenüber einer in minderheitskirchen organisierten religiosität sprechen.
da aber kirche und insbes. volkskirche an sich an relevanter bedeutung für die gesellschaft verliert, sehe ich teenager und jugendliche aber auch anderen kirchen gegenüber aufgeschlossener.
meinst du wirklich, dass jede form von organisation und im speziellen im blick auf religion als eine „art von engfassung“ gesehen wird?
dieser aussage, georgos, stimme ich voll zu.
auch wenn das wort ›fundamentalistisch‹ einen negativen beigeschmack hat, so kann ich die einstufung mancher ›minderheitskirchen‹, wie du sie treffend nennst, aus sicht von sektenbeauftragten der beiden großen kirchen aufgrund einiger aussagen und teilen der gelebten frömmigkeit sehr gut verstehen.
eine organisation als solche hat meiner ansicht nach nicht direkt etwas mit ›engfassung‹ zu tun, ansonsten wären die großen kirchen, wie joachim angemerkt hat, ebenfalls enggefasst – ich denke vielmehr, dass es um ein gedankengebäude geht, welches kaum freiheit lässt – damit sind zum einen glaubensaussagen gemeint, andererseits jedoch auch lebensstile bzw. möglichkeiten das leben zu gestalten.
Hm ich denke auch, dass es nicht so viel mit Organisation zu tun hat. In Deutschland ist es sehr selten so, dass man Formulare unterschreiben muss um Mitglied zu werden oder sowas. Die Bürokratie kriegt man in evangelikalen Gemeinden erst mit, wenn man mitarbeitet und Ideen einbringen will.
Ich glaube tatsächlich dass in Europa nochmal so ein anti-fundamentalistischer Mainstream da ist.
Im Gegensatz zu Amerika, hällt man sich doch hier für aufgeklärter und ist immun gegen bestimmte Ideen.
Was ich noch wichtig finde: leider leider wird in Deutschland nicht unterschieden zwischen Evangelikalen und Fundamentalisten. In Amerika ist das in der Presse durchaus ein Unterschied. Vielleicht sollten die Evangelikalen endlich mal so starkvon Fundamentalisten abgrenzen wie sie es von Liberalen tun (vA da die Fundamentalisten die Evangelikalen angreifen aber andersrum nicht).
Ich konnte es leider auch nicht sehen. Ich denke dass da zuviel und zu schnell über einen Kamm geschoren werden. Aber ich denke auch, dass einiges an der Ablehnung die „evangelikalen“ entgegenstößt hausgemachte Probleme sind, durch zu extremes unreflektierte Äußerungen und Scharzweißdenken.
Gruss Jens
[…] – – – Ein Eintrag, den ich in der Folge des Arte-Themenabends zum christlichen Fundamentalismus geschrieben hatte, hängt meines Erachtens mit diesen Gedanken zusammen [vgl. den Gedanken der Furcht innerhalb liberaler Kreise mit dem was damals über die unterschiedlichen Gruppen gesagt wurde]. […]