Beziehungen

Kürzlich las ich einen Artikel bei Peter Aschoff indem er über Hauskirchen und deren ab und an postulierten Anspruch die wahre Gemeinde zu sein geschrieben hatte. Meiner Ansicht nach kann keine Gemeindeform die einzig wahre sein, so gut sie mir persönlich auch gefallen mag. Da manche der Argumente von und für Hauskirchen bei mir offene Türen einrennen habe ich mir überlegt wieso ich diese Argumente mag.

Beziehungen sind für mich eines der wichtigsten Dinge im Bezug auf Gemeinde, und genau da scheinen Hauskirchen ihre Stärke zu haben. Denn Beziehungen sind meiner Ansicht nach das was sie ausmachen. Die gesamte Existenz einer Hauskirche scheint auf den Beziehungen zu basieren, was daneben läuft ist mehr ein Ausdruck davon als eigenständiges Programm. Die Hauskirche lebt gemeinsam Gemeinschaft, in der Theorie ist es hier sicher auch so, dass es keine Zweiklassengesellschaft gibt – eine Klasse derer, die Gemeinde für die andere Klasse macht, welche lediglich konsumiert.

Auch wenn das nur eine sehr oberflächliche Betrachtung ist, so stellt sich dabei für mich die Frage, ob Hauskirchen die einzige oder beste Form sind, in der Beziehungen eine besondere Rolle spielen und partnerschaftlich Gemeinschaft gelebt werden kann? Und wie oben schon anklang, gehe ich davon aus, dass dies nicht der Fall ist.

Wahrscheinlich lässt sich die Idee Gottes in JEDER Gemeindeform leben. Genauso wie in JEDER Gemeindeform die Gefahr besteht die Idee Gottes zu korrumpieren. Wahrscheinlich brauchen wir unterschiedliche Gemeindeformen da ein Körper auch unterschiedliche Körperteile hat. Und jede Gemeindeform kann die andere bereichern indem sie bestimmte Bereiche der Idee Gottes mehr betont als die andere. Und jetzt wieder einer meiner beliebten Sätze: keine Gemeindeform sollte jedoch von der einen oder anderen Seite vom Pferd fallen – also ihr je eigenes Steckenpferd ad absurdum zu führen indem es das Einzige ist auf dem sie reiten können.

An dieser Stelle möchte ich jedoch noch einmal auf Beziehungen zu sprechen kommen. Da sie für Gemeinde für mich sehr zentral sind ist es wichtig einige Gedanken daran zu verwenden. Für mein Verständnis von Beziehungen und dem wie sie in Gemeinden gelebt werden haben mir einige Gedanken von Edward T. Hall sehr viel gebracht. Er identifizierte 4 Bereiche der menschlichen Interaktion:

a] der öffentliche Bereich
b] der soziale Bereich
c] der persönliche Bereich
d] der intime Bereich

Diese vier Bereichen ergeben sich seiner Ansicht nach aus der Nähe die uns bei der Interaktion mit Menschen angenehm erscheint. Es ist angenehm mit Menschen im öffentlichen Bereich zu verkehren, wenn wir uns nicht näher als 3,5 Meter kommen. Im sozialen Bereich ist es für uns angenehm zwischen 3,5 und einem Meter voneinander entfernt zu stehen, während Menschen mit denen wir auf persönlicher Ebene verkehren bis zu 45 Zentimeter an uns heran dürfen und der intime Bereich bis zur wirklichen Berührung gehen kann.

Diese Bereiche sagen meiner Ansicht nach etwas über die Nähe aus die unsere unterschiedlichen Beziehungen auszeichnen. Mit jeder Person innerhalb einer Gemeinde im intimen Bereich zu sein halte ich für ebenso ungesund wie das Gegenteil. Aus diesem Grund ist es meiner Ansicht nach wichtig das Verhalten in unseren Gemeinden anhand dieser Bereiche einmal zu reflektieren.

Darüber hinaus bin ich von der Wichtigkeit überzeugt, dass jeder innerhalb einer Gemeinde die Möglichkeit hat mit Menschen in den beiden nahen Bereichen zu leben. An dieser Stelle haben Hauskirchen im Vergleich mit Mega-Churches oder manchen landeskirchlichen Gemeinden wahrscheinlich einen gewissen Vorsprung, von dem wir, die wir in anderen Gemeindeformen leben, lernen können.

– – –
Die Gedanken von Edward T. Hall habe ich aus dem Buch ›The Search to Belong‹ von Joseph R. Myers.

2 Reaktionen

  1. Was mich beschäftigt, seit ich diese Kategorien kenne, ist die Frage, wie wir als Gemeinde in allen vier Bereichen präsent sind. Es geht ja, wenn ich das richtig verstanden habe, nicht nur um den physischen Abstand, sondern die Sphären unseres (Gemeinschafts-) Lebens. Und da sind wir in den beiden mittleren Bereichen nicht so schlecht, aber im öffentlichen Bereich oft nicht gut aufgestellt und zum Teil im „Intimen“ auch schwach, weil wir andere nicht wirklich an uns heran lassen wollen.

  2. […] – – – Über Beziehungen habe ich kürzlich auch hier geschrieben. […]

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