Trinität und Dekonstruktion

Der Titel des Eintrages enthält zwei Worte die für mich persönlich sehr wichtig sind. Zum einen das Wort Trinität das in der Theologie als terminus technicus für die Dreieinigkeit Gottes verwendet wird – und eine zentrale Stellung in meinen theologischen Überlegungen einnimmt. Und zum anderen Dekonstruktion die viel über mein Denken und Sein aussagt. Da mir in letzter Zeit häufig ein verzerrtes Bild von Dekonstruktion begegnet und ich gerade einige grundsätzlich theologische Studien „betreibe“ taucht ein Bild immer wieder vor meinem ›geistigen Auge‹ auf das ich kürzlich gehört habe. Das Bild stammt von Richard Kearney und stellt Trinität und Dekonstruktion auf wunderbare Weise zusammen dar.

Es ergibt sich aus dem griechischen Begriff ›Perichoresis‹, den Kearney hier als Tanz der drei Personen der Dreieinigkeit um einen bestimmten Kern herum wiedergibt. In diesem Tanz von Vater, Sohn und Heiligem Geist sieht er Dekonstruktion, da sie sich in einer konstanten Bewegung befinden – sie tanzen im Kreis und stehen nicht still –  sie bewegen sich und in dieser Bewegung räumen sie sich gegenseitig Platz ein. Jede der Personen lehnt es ab einen/ihren bestimmten Platz einzunehmen und festzuhalten. Vielmehr gibt der Vater seinen Platz an den Sohn weiter, der Sohn den seinen an den Heiligen Geist und dieser wiederum… Die Personen der Dreieinigkeit nehmen nicht je ihren eigenen Platz für sich alleine ein, sondern bewegen sich im Kreis und bieten sich gegenseitig je ihren Platz an. Dabei handelt es sich um eine endlose Bewegung im Kreis. Indem sie sich liebevoll je ihren Platz anbieten, öffnen sie eine Raum in der Mitte, den Kern.
 
Kearney führt weiter aus, dass er dieses Bild gerade dann gerne verwendet, wenn Menschen sagen, dass Dekonstruktion etwas negatives sei. Mit diesem Bild sei es ihm möglich zu betonen, dass sie schon in der Dreieinigkeit vorhanden war. Jacques Derrida führte die Dekonstruktion nicht ein. Sie ist bereits in der Bibel vorhanden, z.B. in dieser liebevollen Weitergabe des Platzes. Was die drei Personen der Dreieinigkeit tun, kann man auch als liebevolle Eigendekonstruktion bezeichnen. Sie beharren nicht auf einem statischen Platz, sondern geben diesen liebevoll an den nächsten Weiter und bekommen einen anderen Platz angeboten. Durch diese Weitergabe öffnen sie einen inneren Raum, die Chora, den Kearney als weiblicher Raum der Inkarnation bezeichnet, im Herzen der Dreieinigkeit und der Schöpfung.

Die Ausführugen von Kearney finden sich in folgendem PodCast von Emergent Village: Session 3 Part 2 – 2007 Theological, Philosophical Conversation. In nächster Zeit werde ich wieder etwas mehr zu Dekonstruktion und auch über Dreieinigkeit schreiben – die Intervalle und Länge der Einträge wird mit der Energie zusammenhängen die mir neben der regulären Arbeit bleibt.

7 Reaktionen

  1. hallo onkel toby,

    ich würde sagen, dass die tatsache dass keine der personen auf ihrem platz beharrt – keinen statischen platz einnimmt den nur sie selbst inne hat – dazu beiträgt, dass sie selbst ständig raum für etwas neues, das andere, das ereignis machen. die öffnung auf etwas anderes, ein ereignis hin, ist etwas das kearney und auch caputo in dem gespräch als merkmal der dekonstruktion bezeichnen. daneben öffnet der perichoretische tanz noch den von kearney erwähnten raum in der mitte der drei personen – wieder etwas anderes, ein ereignis.

    auch wenn man das hier angeführte bild verlässt steht meiner ansicht nach die dreieinigkeit, dadurch dass die einzelnen seinsweisen sich stetig durchdringen, sich in einem geheimnis des andersseins und dennoch einsseins befinden als dekonstruktion angesehen werden. gott dekonstruiert das bild welches wir uns aufgrund einer offenbarung machen wieder dadurch, dass er auch andere facetten seiner selbst offenbart.

    hat jemand noch anmerkungen dazu? würde mich freuen.

  2. Na gut, man könnte sagen, dass durch die Trinität in Gott selber ein Widerstand gegen binäre Oppositionen eingeschrieben ist. Irgendwie widerstrebt es mir aber, dass als „Dekonstruktion“ zu bezeichen und so wie ich Derrida verstehe, gibt es immer ein Objekt der Dekonstruktion (in diesem Falle dann „Gott“).

    Kearney kann also sagen: Mit Hilfe der Dekonstruktion erschliesst sich mir eine immanente Opposition gegen das Binäre durch die Trinität, aber die Trinität selber kann keine „Dekonstruktion“ sein – zumindest verstehe ich das sonst nicht.

    Und zum „Tanz“: In was genau ist die erwähnte Bewegung begründet? Wo manifestiert sie sich? Oder ist ledigleich eine Analogie zur flottierenden Signifikantenkette, der der Lacansche Herrensignifikant fehlt (was zu diskutieren wäre), und die deshalb eben immer in Bewegung ist? Dann wäre zu fragen, wer sich denn da genau bewegt – die Trinität selber? Hm.

    Und diese Vorstellung der „Chora“ ist mir momentan noch zu esoterisch und undefiniert, fürchte ich.

  3. auch wenn ich gerade nicht die zeit habe näher auf deinen kommentar einzugehen, fällt mir gerade auf, dass kearney und caputo in dem gespräch darüber reden, dass gott für sie nicht dekonstruierbar ist – unsere gottesvorstellungen jedoch schon.
    danke für deinen kommentar. werde mit etwas zeit noch mal darauf eingehen.

  4. Ich muss zugeben, dass mich die Herangehensweise an die Dekonstruktion nach der Art Caputos immer etwas verwundert, weil sie in irgendeiner Form immer ein Element des Mythischen trägt. Die Chora, der Tanz, die Metapher der Schwäche, all das sind so etwas wie eben wieder dekonstruierbare Mythen, die so auch Texten antiker Mystiker auftauchen könnten. – Ich bin Literaturwissenschaftler, kein Theologe, aber danach riechen mir solche Formulierungen: Mythen, Metaphern der Metaphysik und nicht einmal im Sinne einer „weißen Mythologie“ Derridas, sondern wieder eine, wenn auch dynamische und emazipierte Konstruktion der Wirklichkeit Gottes erreichend und den Aspekt der heiteren Destruktion, eben der Dekonstruktion nicht ganz erreichend.

  5. vielen dank für eure kommentare. wenn ich das richtig sehe seid ihr beide literaturwissenschaftler und kennt euch mit poststrukturalismus aus. auf diesem gebiet kenne ich mich nur bedingt und eben mit der brille eines theologen aus – weshalb ich manche sachen sicher anders verstehe als ihr das tut. gerade deswegen freue ich mich auch über eure kommentare, gedanken, anmerkungen und anfragen sehr.

    wenn ich caputo richtig verstanden habe, dann erweitert er die dekonstruktion mit einem etwas konkreteren bild »des anderen« als es bei derrida der fall war. in ›tears and prayers of derrida‹ scheint caputo auch ausgehend von derridas leben in diese richtung zu arbeiten – dabei berufe ich mich auf aussagen von caputo da ich das buch noch nicht selbst gelesen habe. hat es einer von euch gelesen?

    zu perichorese und dem tanz werde ich den nächsten tagen noch einen extra eintrag schreiben…

Reagiere darauf

*