Über Furcht und Kontrolle

In dem Buch »Reforming Theological Anthropology« von LeRon Shults bin ich in den letzten Tagen an mehreren Stellen über Gedanken zu Furcht, bzw. „Gottesfurcht“ gestossen, die ein anderes Licht auf den Begriff und das Verständnis von „Gottesfurcht“ werfen, als ich das aktuell aus meinem (weiteren) Umfeld in Erinnerung habe.

LeRon definiert Furcht als Antwort auf unsere empfundene Unfähigkeit ein Objekt von existenzieller Bedeutung zu kontrollieren. Da wir einem solchen – und wohl jedem – Objekt gegenüber nicht in der Lage sind es zu kontrollieren / unter unsere Kontrolle zu bringen, empfinden wir Furcht. Das Objekt bleibt für uns in gewisser Weise unberechenbar. Wenn es sich dabei um ein Objekt von existentieller Bedeutung für uns handelt, scheint diese Furcht gegenüber der Unfähigkeit der Kontrolle desselben zutiefst als nachvollziehbar.

Wenn „Gottesfurcht“ in diese Richtung verstanden wird, dann ist sie mit einem Mal von der Furcht gegenüber einem Despoten befreit. Auch wenn ich zugeben muss, dass der alleinige Verweis auf die Unkontrollierbarkeit Gottes durch den Menschen noch keine hinreichende Begründung darstellt. Daher reiche ich hier die Annahme nach, dass es sich beim dreieinigen Gott um einen liebevollen Gott handelt, der sich in völliger Hingabe der Schöpfung und damit auch der Menschheit zuwendet. Wenn ich diese Annahme einbeziehe, dann erscheint der Begriff „Gottesfurcht“ in einem komplett anderen Licht.

Es handelt sich dann eher um eine Furcht die auf Unkontrollierbarkeit und daher in gewisser Weise auf einem Mysterium basiert. Eine Furcht die sich zum einen in vorsichtigen Äusserungen dessen abzeichnet was als erkannt angenommen wird, die jedoch zugleich auch immer die Offenheit und darüber hinaus Lust auf ein weiteres, tieferes Erkennen des Gottes mit sich bringt. In dieser Weise erscheint meiner Ansicht nach auch der vielzitierte Satz „Die Furcht des HERRN ist der Anfang der Erkenntnis.“ (Sprüche 1,7) als wunderbare Beschreibung eines Prozesses der „nie“ an ein Ende kommen wird. Wir werden nie in der Lage sein Gott zu kontrollieren. Gott wird ein Mysterium bleiben.

4 Reaktionen

  1. Hallo Daniel – danke für Deine Anregungen.

    Zum einen sage ich ja zu der Aussage, dass Gott nicht zu kontrollieren ist. Das können wir nicht schaffen, weil wir einfach Menschen sind und er Gott.

    Ich sehe Gott auch als einen, der sehr wohl reagiert auf das Rufen, Klagen und Weinen der Unterdrückten – im Paradox zu dem „up&out“-Gott ist er für mich wie für Paggit ein „down&in“-Gott.

    „Unkontrollierbar“ – das klingt auf mich doch sehr kalt und weit weg und ich denke, dass es hier auch sehr auf den Kontext ankommt, in welchen diese Aussage hineingesprochen wird.

    Deshalb schliesse ich mich wieder Deiner Anmerkung „dass es sich beim dreieinigen Gott um einen liebevollen Gott handelt, der sich in völliger Hingabe der Schöpfung und damit auch der Menschheit zuwendet“ voll und ganz an.

    Hoffe, das war jetzt nicht zu kompliziert geschrieben ;)

    • vielen dank für deinen kommentar. finde es interessant wie man diese aussage der „unkontrollierbarkeit“ gottes verstehen kann. ich gebe dir in jedem fall recht und gehe auch von einem der welt zugewandten gott aus. der gedanke der kontrollierbarkeit bzw. der unmöglichkeit dessen bezieht sich hier mehr auf die tatsache, dass wir gott nie voll erfassen können (kognitiv) und unsere versuche ihn zu erklären immer bruchstückhaft bleiben werden. auch wenn wir mit gott reden und sogar handeln können, so ist es uns – meiner ansicht nach – dennoch nie möglich in zu etwas zu nötigen, ihn zu kontrollieren.

      finde den aspekt sehr interessant, dass dir der gedanke an einen „unkontrollierbaren gott“ kalt vorkommt. eine interessante herausforderung ist es meiner ansicht nach auch, trotz des wissens um einen unkontrollierbaren gott, der sich unserem griff entzieht, dennoch von einer beziehung zu diesem gott zu sprechen – im sinne des gedankens, dass wir in die dreieinige gemeinschaft eingeladen sind.

  2. Ja, das mit dem Erfassen spricht mich an, macht für mich noch mehr Sinn. Das ist definitiv ein Thema, dass ich gerne mal länger mit Dir bei ner Tasse Kaffee auseinandernehmen würde ;)

    Grüße von Jö-West

  3. Spannende Gedanken. Bei der Beschreibung wird mir der Begriff der „Gottesfurcht“ direkt greifbarer und erfassbarer, da ich selber in meinem Leben und in meiner Beziehung zu Gott diese Spannung fühle. Ich kann Gott nicht vorschreiben und bestimmen, was er zu tun hat und doch stehe ich im Gebet vor ihm und bitte ihn um seiner Liebe willen Menschen und Situationen zu ändern. Und dann bin ich immer wieder von der Gnade, die Gott schenkt überrascht, wenn sich wirklich verzwickte Situationen ändern. Wie du es sagst, Daniel, dass Gottes Weisheit größer ist, als unsere Weisheit. Er hat es im Blick und wir staunen, wie er es am Ende in seiner Weisheit regelt. Danke für den gute Impuls. :-)

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