Offener Brief an die Regierung
Dem Wahlausgang gestern folgen heute viele Auseinandersetzungen. Manche fordern schon der neuen Regierung eine Chance zu geben – und ja, das werde ich tun, ich gebe ihnen die Chance ihre Wahlversprechen zu brechen und tatsächlich Regierung des ganzen deutschen Volkes zu werden und nicht nur gewisse Lobbies zufrieden zu stellen. Auch wenn 48,4% der Stimmen für schwarz-gelb stimmten gibt es 45,6% der Wähler die ihre Stimme für rot-rot-grün abgaben. Ich verbessere mal diesen Satz um deutlich zu machen was ich sagen möchte: Für eine schwarz-gelbe Koalition stehen, wenn man die Stimmen für CDU/CSU und FDP zusammenzählt 48,4% der abgegebenen Stimmen zur Verfügung, das ist eine Mehrheit und berechtigt in unserer Demokratie formal zur Regierungsbildung. Bei dieser Regierungsbildung sollte jedoch nicht vergessen werden, dass es mehr als 45,6% der Stimmen* gibt die sich nicht für eine solche Koalition bzw. für keine der drei Parteien ausgesprochen haben. Insofern ist die Mehrheit dünn und darf verhalten wahrgenommen werden. Eine der Streitfragen wird wohl der Atomausstieg sein – und da schließe ich mich heute Campact an und unterzeichne folgenden offenen Brief:
Sehr geehrte Frau Merkel,
sehr geehrter Herr Seehofer,
sehr geehrter Herr Westerwelle,
CDU, CSU und FDP haben die Bundestagswahl nicht wegen, sondern trotz ihrer Position zur Atomenergie gewonnen. Nach allen aktuellen Umfragen lehnt eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger/innen Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke ab.
Mehr als drei Jahrzehnte lang hat die Auseinandersetzung um die Atomkraft die Republik erschüttert und tief gespalten. Erst der 1999 zwischen Bundesregierung und Energiekonzernen vereinbarte Atomkonsens hat dem gesellschaftlichen Konflikt einen Teil seiner Schärfe genommen. Jede Laufzeitverlängerung für Atomreaktoren wird die notdürftig zugeschütteten Gräben des Konflikts wieder aufreißen und zur Renaissance des Anti-Atom-Protests führen.
Um den gesellschaftlichen Frieden zu bewahren und die Energiewende zu sichern, fordern wir Sie auf:
- Sorgen Sie dafür, dass die sieben ältesten, besonders unsicheren Atomkraftwerke und der Pannenreaktor Krümmel jetzt vom Netz gehen!
- Ziehen Sie einen Schlussstrich unter die jahrzehntelangen Lügen, die den Ausbau des völlig ungeeigneten Salzstocks Gorleben zum Endlager begleitet haben! Starten Sie eine neue, vergleichende Standortsuche nach klaren Kriterien.
- Stärken Sie den Ausbau der Erneuerbaren Energien und fördern Sie Energieeffizienz: Jedes Aufweichen des Atomausstiegs zerstört die Investitionssicherheit dieser Zukunftsbranchen.
Sollte Ihre Regierung den Atomausstieg jetzt nicht endlich vollziehen, werden wir uns an den zu erwartenden, massiven Protesten der Anti-Atom-Bewegung beteiligen.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Ehniss
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Es gäbe noch viel zu sagen, damit möchte ich es nun jedoch bewenden lassen und wende mich wieder anderen Aufgaben zu. Diesen offenen Brief kannst du gerne ebenfalls hier unterzeichnen.
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* 45,6% der Stimmen sind die Summe der Stimmen die für SPD, die Linke und die Grünen abgegeben wurden. Rechnet man die 6,0% der Stimmen dazu die an die kleinen Parteien gegeben wurden, dann wäre man bei 51,6% – das ist hypothetisch, keine Frage, aber dient der Veranschaulichung der Verhältnisse.
Daß 45,6% der Wähler für rot-rot-grün gestimmt haben, ist schlichtweg falsch. Das wäre eine jedenfalls eine unzulässige Zusammenrechnung von Stimmen, die zunächst einmal nicht für Bündnisse, sondern für einzelne Parteien bzw. Einzelkandidaten abgegeben wurden.
Ein Großteil der Stimmen für die SPD sind mit Sicherheit als Plädoyer für die Fortsetzung der Großen Koalition zu verstehen, nicht als Ausdruck des Wunsches für eine Zusammenarbeit von SPD und Linken.
Das habe ich mich auch gefragt, wie diese Zusammenrechnung zustande kommt? Bin da bisschen neugierig, wie kommst Du darauf?
Sowas ähnliches wollte ich auch gerade schreiben. Die Wahl einer Partei hat erstmal nichts mit der Wahl einer Koalition zu tun. Es haben weder 48,4% für schwarz-gelb gestimmt noch 45,6% für rot-rot-grün. Die theoretische und die praktisch mögliche Anzahl an Koalitionen ist deutlich größer als zwei (kombinatorische Details erspare ich uns). Die Wirklichkeit ist komplexer als schwarz-weiß…
Ich frage mich seit Jahren, ob es nicht einen Wahlmodus geben könnte, der den Koalitionswillen stärker abbildet als das bisher passiert. Die Festlegung auch eine Partei war in einem Dreiparteiensystem noch ziemlich wurscht, mit fünf oder mehr Parteien ist sie das nicht mehr.
falsch ist die zusammenrechnung insofern, dass sie nicht für ein rot-rot-grünes regierungsbündnis abgegeben wurden – da stimme ich zu. für den zweck dessen was ich sagen wollte – dass es sich dabei um stimmen handelt die nicht für eine schwarz-gelbe koaliton abgegeben wurden ist die addition der prozentwerte jedoch gerechtfertigt. wie ich auf die zahl komme – einfach die prozentwerte der wahlergebnisse (in meinem fall von dradio.de) zusammenzählen und fertig.
die interpretation dass die spd-stimmen ein votum zur fortsetzung der großen koalition zu verstehen sind stehe ich eher kritisch gegenüber, in meinem umfeld haben spd-wähler andere ziele mit ihrer stimme verfolgt.
Der Meinungsüberlapp zwischen einzelnen Parteien ist ja erstaunlich hoch, wenn ich nur meine Ergebnisse des Wahl-o-Maten mal im Detail ansehe. Dazu kommt taktisches Wählen. Den Wählerwunsch also in zwei Lager aufzuteilen halte ich für eine unzulässige Vereinfachung der Wirklichkeit. Das heißt auch, dass der Grad an Unbehagen über die schwarz-gelbe Koalition (wäre bei anderen identisch) auch nicht 0/1 ist, sondern durchaus seine Schattierungen haben kann. Das ist mir sonst alles etwas zu plakativ, und einen politischen Dialog fördert eine solch vereinfachte Sicht auch nicht gerade.
So, jetzt wende ich mich wieder anderen Aufgaben zu ;o)
Okay um das zu zeigen, finde ich das auch gerechtfertigt.
Was wäre denn deine Wunschregierung? (Darf ich das so direkt fragen…?)
Stimme „dasweb“ da vollkommen zu. Man kann nicht einfach Union und FDP einerseits gegen alle anderen Parteien andererseits stellen. Auch das wäre eine unzulässige Vereinfachung der parteipolitischen Wirklichkeit. Im Falle des Falles wären z.B. die Grünen sicherlich erfreuter gewesen, eine Ampelkoalition mit der Union zu bilden, als mit der Linken zu reagieren etc.
Als Ergänzung: ich habe ja nicht behauptet, alle SPD-Stimmen seien als Votum für die Fortsetzung der Großen Koalition zu sehen. Daß ein Großteil davon aber so zu werten ist, haben mehrere Umfragen im Vorfeld der Bundestagswahl und am Wahltag selbst eindeutig ergeben.
Es sollte natürlich im ersten Absatz „regieren“ heißen, nicht „reagieren“ … ;-)
Wenn ich das noch einmal kurz präzisieren darf – es geht mir in diesem Eintrag vor allem um die Energiepolitik – dies ist unschwer zu erkennen wenn man den gesamten Eintrag liest! Und in dieser Frage ist es möglich schwarz-gelb in Kontrast zu den anderen von mir erwähnten drei Parteien zu stellen. Ich habe darüber hinaus in den letzten Jahren gelernt dass man ab und an etwas vereinfachen muss um einen Punkt zu machen, gleichwohl ich mir der Komplexität des politischen Systems bewusst bin.
Was wäre die (vernünftige) Alternative? Auf die man bauen kann??
Wind? -> nicht konstant und aufgrund der Strommenge nicht durchführbar.
Kohle -> noch umweltschädlicher
Wasserkraft – reicht auch nicht
Erdgaß -> hält nicht mehr lange genug
Im Moment haben wir keine Alternative, die unseren Energiehaushalt TRAGEN kann, nicht mal die Hälfte….Wie soll ein Abbau funktionieren wenn er nur mehr Energie verschwendet (Herstellung von Solarzellen, Windrädern..verschwendet mehr als es gerade einbringt…)
MfG
Wenn eine richtige Alternative da ist klar, aber die ist nicht in Sicht….
das mit der alternative ist natürlich eine berechtigte frage, mein ansatz – und deshalb störe ich mich auch so an den wünschen die jetzt wieder aus dem konservativen lager laut werden – ist, dass man schon viel früher konsequent die umstellung auf regenartive energien (und damit meine ich nicht nur strom) hätte verfolgen müssen. jetzt zu sagen es gebe nicht genug alternativen und „weiter so“ zu rufen anstatt endlich umzudenken halte ich für fatal.
ist sicherlich eine interessant klingende Denkweise, aber die Vergangenheit ist Vorbei und die Gegenwart aktuell. Es geht sicherlich nicht um ein weiter so, sondern ein wie lang noch. Es ist noch unmöglich -in unserer Situation- auf Atomreaktoren zu verzichten- erst muss die Alternative wasserdicht sein, sonst zerstört man die Versorgung.
Ich stelle die These auf, dass AKW’s NOCH notwendig sind, bis eine Alternative(z.B. Kernfusionsreaktoren) steht die uns versorgen kann.
Es geht sicher nicht um ein „weiter so“ die Frage ist wohin. Eine radikale Abkehr wäre in unser jetzigen Situation fatal.
dass ich an diesem punkt anderer meinung bin wird nicht schwer zu erraten sein ;)