emerging Church, Frage und Antworten

Letzte Woche habe ich mich bei einem Dienst angemeldet, bei dem es nur darum geht, dass Fragen gestellt werden und die gefragte Person Antworten darauf gibt. Zunächst war es einfach nur Neugier darüber welche Möglichkeiten dieser Dienst bietet, doch während so die ersten Fragen eintrafen merkte ich wie gut es für die Eine oder den Anderen sein kann eine Frage anonym zu stellen. Ein paar Fragen bezogen sich dabei auch auf die emerging Church Bewegung und mein Engagement darin. Heute möchte ich eine dieser Fragen hier aufgreifen, ein paar antwortende Gedanken dazu formulieren und euch Leserinnen und Leser bitten eure Antwortgedanken dazu in den Kommentaren hinzuzufügen.

Frage: Wenn man die emerging church jetzt beurteilen müsste, für was steht sie? Was sind ihre Stärken und Schwächen?

Antwort: Meiner Ansicht nach ist es recht schwer von „der“ emerging Church im Allgemeinen zu sprechen, da es sich bei ihr um eine recht heterogene Bewegung handelt. Dennoch möchte ich mich an einigen Gedanken dazu versuchen:

Eine Besonderheit dieser Bewegung ist das Zusammenkommen der unterschiedlichen Strömungen/Traditionen der weltweiten Christenheit. Es treffen sich Menschen mit großkirchlicher Prägung, aus freikirchlichen Kreisen und Menschen die sich keiner dieser Traditionen zugehörig fühlen. Konservativere und innovativer Persönlichkeiten begegnen einander und suchen ohne Denkverbote und Fraktionszwänge nach Möglichkeiten für Nachfolge, Spiritualität und Kirche in unserer Zeit und Gesellschaft. Ich verstehe die Bewegung als eine ökumenische Bewegung, die die unterschiedlichen Traditionen miteinander ins Gespräch bringt und auf unterschiedlichste Weise Eingang in die Gestaltung der jeweiligen Gegenwart und Zukunft findet.

Den Begriff „Church“ des gebräuchlichen Namens der Bewegung verstehe ich als Kirche weit gefasst. Ich verbinde ihn daher mit der weltweiten Christenheit. Also nicht einer bestehenden Kirche und schon gar keiner konkreten Kirchengemeinde. Diese Spezifizierung meinerseits weist auch auf eine Schwäche hin, manche verbinden mit „emerging Church“ ein bestimmte Gemeinde, oder gar ein Modell, eine bestimmte Art Gottesdienst zu feiern… Für mich stehen die Fragen nach Nachfolge und Spiritualität vor den Fragen der Organisation. Auf diese Weise sehe ich die Bewegung genauso in traditionellen Kirchen wie in kleinen innovativen Gemeinschaften entstehen bzw. konkrete Formen annehmen. Meiner Ansicht nach bezeichnet der Begriff eine Bewegung die sich des konkreten Lebens annimmt und diese so genannten praktischen Aspekte mit so genannter theoretischer Reflexion verbindet.

Ein wichtiger Wert der Bewegung ist meiner Ansicht nach der Dialog. In diesem Sinne stehen unterschiedliche Personen und damit auch Positionen im Dialog miteinander. Dieser Dialog beschränkt sich weder auf die „Gemeindepraxis“, die „Theologie“ oder gar auf den „Kreis der Christen“, sondern geht bewusst weit darüber hinaus. Unterschiedliche Disziplinen werden gehört und sowohl ihr Vorgehen als auch ihre Ergebnisse werden reflektiert. Und auch in persönlichen Begegnungen steht der Wert des Dialogs im Zentrum. Im Bewusstsein der Notwenigkeit lebenslang zu lernen finden Begegnungen und Austausch statt. Eine Position oder Erkenntnis wird nicht als letztgültig angenommen, sondern als Prozess verstanden auf den unterschiedliche Faktoren Einfluss haben und der immer nur vorläufig bleiben wird. Überall wird nach den Spuren Gottes Ausschau gehalten. In jeder Situation und in jeder Begegnung mit einer Person wird die Möglichkeit angenommen dass Gott kommuniziert. Dies führt natürlich auch zu einem grundsätzlich anderen Verständnis von Mission. So wird diese allgemein gesprochen als Partizipation am Handeln Gottes verstanden. Es geht nicht (vielleicht muss ich der Vollständigkeit halber, da ich nicht nur für mich reden möchte, hinzufügen „nur“) darum zu erleben, dass jemand den Weg der Nachfolge einschlägt, sondern allgemein um die Partizipation am Handeln Gottes in den unterschiedlichsten Bereichen (hier seien gerade auch Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit genannt).

Meiner Ansicht nach handelt es sich um eine Bewegung, der es darum geht ganzheitlich zu leben. Die unterschiedlichen Lebensbereiche werden bewusst verbunden, ein möglicher Dualismus, der sich beispielsweise an der unterschiedlichen Gewichtung von Geist und Materie zeigt, wird stark in Frage gestellt und zum Teil durch das Aufzeigen seiner Wurzeln entkräftet.

Ein Dialog mit der Gesellschaft als solcher wird praktiziert, und zwar ohne Hintergedanken, sondern um des Dialogs und der Teilnahme an gesellschaftlichen Vollzügen wegen. So wird beispielsweise Kultur um der Kultur willen gefördert.

Mir scheint als könnte ich hier noch sehr lange weiter schreiben, will es aber hiermit zunächst bewenden lassen und freue mich auf die Kommentare und evtl. weitere Nachfragen.

1 Reaktion

  1. Schöne Ausführung, Daniel. Du meinst, Du hättest länger weiterschreiben können – Ich würde mich sehr freun, wenn Du das machen würdest.

    Da Du ja einen besonderen Blick auf das Ganze hast, würde mich das brennend interessieren. So viel dazu von mir.

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