Notiz der Woche 34

In dieser Notiz der Woche 34 kommt eine Eigenschaft zum Tragen, die charakteristisch ist für die Dekonstruktion. In der Dekonstruktion wird ein Text mit besonderem Augenmerk darauf gelesen, was nicht gesagt wird. In der Auseinandersetzung damit werden dann die Herrschaftsverhältnisse aufgedeckt, die dazu führten, das gewisse Sachverhalte unerwähnt blieben. Einiges wird des Öfteren außen vor gelassen, in den unterschiedlichen Ebenen der Kommunikation, und somit auch aus der Wahrnehmung unserer Wirklichkeit.

»Am Ende werden wir uns
nicht an die Worte unserer Feinde erinnern,
sondern an das Schweigen unserer Freunde.«

Diese Aussage wird Martin Luther King zugerechnet. Mir begegnete sie in letzter Zeit des Öfteren in einer Rede von Jay Bakker. In der letzten Woche sah ich mir einen kurzen Ausschnitt dieser Rede an. Das Video zeigt wie Bakker in einer Gemeinde spricht. Zunächst geht es um Veränderung, die Gemeinde stimmt ihm lauthals zu. Sie schlagen sich auch noch auf seine Seite, als er davon berichtet, dass es Pastoren gibt die ihn als Verfehlt bezeichnen. Er konkretisiert seine Gedanken und spricht davon, dass er für die Hochzeit von Homosexuellen ist, die Gemeinde verstummt. Bakker ist sichtlich bewegt, und kommt auf das eben erwähnte Zitat zu sprechen.

Genauso wie sich Bakker in diesem kurzen Ausschnitt für seine homosexuellen Freunde ausspricht, möchte ich dies auch tun. Seit einiger Zeit mache ich mir Gedanken darüber wie ich dies tun könnte. Vielleicht viel zu lange. Die Aussage Kings hat mich dazu motiviert dies auch hier nochmals deutlich auszudrücken. Ich halte Homosexualität für eine legitime Weise der Lebensgestaltung. Das schreibe ich so umständlich, da ich es auf der einen Seite positiv ausdrücken und nicht auf bloße Sexualität begrenzen möchte.

Ebenfalls in der letzten Woche stieß ich auf einen sehr alten Eintrag in diesem Blog. Darin zitierte ich eine Textzeile aus »This Room« von The Notwist:

»Ungeachtet dessen, was wir sagen,
Ungeachtet dessen, was wir denken,
Wir werden nie, niemals diesen Raum verlassen.«

Wir werden niemals den Raum verlassen, in dem wir uns wohl fühlen, nicht die Grenzen überschreiten, die sich sicher anfühlen. Damals hatte ich es hinsichtlich der emerging Church Bewegung geschrieben. Und ich hatte schon damals den Gedanken, dass wir dazu aufgefordert sind die bequemen Räume zu verlassen. Neue Wege zu finden Gemeinde zu leben. Und so möchte ich diese beiden Gedanken verbinden. Ich wünsche mir, dass wir das Schweigen zu Homosexualität brechen, aus dem Raum heraustreten, und unsere lesbischen und schwulen Freunde in unseren Gemeinden begrüßen. Hier sehe ich einen wichtigen Punkt, an dem wir nicht mehr schweigen, sondern einladen sollten. Ich möchte diesen Raum des Schweigens verlassen. Mit meinen Freunden darüber reden, und auch dahingehend wirken, dass hier keine Ausgrenzung mehr stattfindet, so dass es „Betroffenen“ möglich wird ihren Lebensentwurf öffentlich und auch als Christen zu leben.

Dies hier soll keine theoretische Auseinandersetzung mit den angesprochenen Fragestellungen werden, sondern ein freundschaftlicher Ausdruck des gemeinsamen Lebens. Wir sind gemeinsam unterwegs. Und im Sinne der oben erwähnten Tendenz der Ausgrenzung, möchte ich diesen Eintrag als Einladung verstanden wissen. Auch als Einladung an diejenigen, die eher kritisch sind, hier auf unsere Freunde zu zu gehen.

_

Das Gesagt gilt natürlich nicht nur für »Freunde« im engeren Sinne, und mir ist auch bewusst, dass die Überwindung der Ausgrenzung (auch wenn sie in weiten Teilen eher passiv geschieht) außerhalb von Christsein und Gemeinde ebenfalls noch wichtig ist.

_

Zur inhaltlichen Auseinandersetzung empfehle ich:

1 Reaktion

Reagiere darauf

*