Noch ein Blick auf das ef10

In den letzten Tagen habe ich mir an den unterschiedlichsten Stellen Rückblicke auf das Emergent Forum 2010 durchgelesen. Und da mich ein paar der angesprochenen Themen interessieren, bzw. sie mich beschäftigen, werfe ich noch einen Blick zurück, und auf die angesprochenen Themen. Die beiden Dinge, die mich dabei am meisten beschäftigen, haben mit der Themensetzung und den Menschen zu tun.

Wie bereits im letzten Eintrag geschrieben, hatten wir uns auf die Suche nach einem dritten Weg als Thema geeinigt. Diese Themensetzung fand ich von Anfang an schwierig, und dennoch – so ist es mit demokratischen Entscheidungen – beteiligte ich mich an der Planung und Durchführung des Forums. Um das sperrige Thema zu konkretisieren und greifbar zu machen, einigte sich das Vorbereitungsteam auf sechs Bereiche, die von einer gewissen Polarität ausgingen. Die aufgezeigte Spannung wollten wir nutzen, um Energie für Ansätze frei zu setzen, die über Einseitigkeiten hinausgehen. Das Vorbereitungsteam bestand aus Frauen und Männern, davon sind manche theologisch ausgebildet, manche sind im so genannten gemeindepraktischen Umfeld tätig, einige leben in Kirchengemeinden der EKD, in freien Gemeinden und in Gemeinschaften, die irgendwo dazwischen angesiedelt sind.

Interessant finde ich diesbezüglich, dass in manchen Rückblicken davon gesprochen wird, es handle sich um freikirchliche Fragestellungen. Wird dies von landeskirchlicher Seite formuliert, so möchte ich – allen ernstes – fragen, ob tatsächlich angenommen wird, die EKD und ihre Kirchen hätte in allen der angesprochenen Fragestellungen einen dritten Weg gefunden, und würde diesen leben? Für die Gemeinden, die mir bekannt sind, kann ich dies so nicht bestätigen. Natürlich bin ich mir dessen bewusst, dass manche freie Gemeinde an einem anderen Ort steht als eine landeskirchliche Gemeinde. Ab und an, zumindest wage ich es dies zu behaupten, ist es jedoch gerade die sprichwörtliche andere Seite, von der man vom Weg abkommen könnte – die jeweils andere Einseitigkeit. Ein Gedanke, der für mich im emergenten Dialog stets mitschwingt ist die Möglichkeit der Nachfolge jenseits institutionalisierter Religion – womit ich sowohl Freikirchen als auch Landeskirchen meine. Möglichkeiten der Nachfolge also, die sich auch zur christlichen Tradition in kritischer Distanz wahrnehmen.

Die meisten der sechs Fragestellungen haben direkte Auswirkungen auf die gelebte Nachfolge, und hier bietet sich ein weites Feld der Beteiligung. Gerade dann, wenn ich an einer partizipativ konzipierten Veranstaltung teilnehme, habe ich die Möglichkeit meine Fragestellung, bzw. Fragen und Gedanken zu der mich betreffenden Anwendungsmöglichkeit, einzubringen. Daher, und das mag zwischen den Zeilen bereits deutlich geworden sein, fällt es mir etwas schwer anzunehmen, man hätte komplett andere Themenstellungen benötigt, um Interessierte aus dem Bereich der Großkirchen zu integrieren. Gerne lasse ich mich jedoch, durch konkrete Fragestellungen, eines Besseren belehren.

Der Ruf nach einer Ausweitung des Personenkreises, der am emergenten Dialog in Deutschland teilnimmt, wird meiner Ansicht nach auch durch die Teilnahme am Forum konterkariert. Mir sind Menschen begegnet, die recht wenig miteinander gemeinsam haben. Das Klischee des Apple-Jüngers mit Hornbrille, der schwarz trägt, eine theologische Ausbildung genoss (oder genießt), freikirchlich eingebunden ist und ständig twittert, oder Texte in sein Blog tippt, macht sich gut. Aber es verzerrt das Bild der Beteiligten. Natürlich sind solche Menschen Teil des Dialogs – wäre auch irgendwie komisch, wenn sie kein Interesse daran hätten. Wenn es um Möglichkeiten von Nachfolge und Kirche geht, würde es mich wundern, wenn Menschen, die ihre Ausbildung in diesem Bereich absolvieren kein Interesse an einem innovativen Dialog darüber hätten. Und weiter würde mich wundern, wenn die Interessierten an diesem Dialog nicht auch an anderen kulturellen Bereichen interessiert wären, und mit frischen Gedanken und Alternativen experimentieren würden. Vielleicht soll das Klischee auch aus dem Grund aufrecht erhalten werden, um sagen zu können, am emergenten Dialog nehmen Hipster teil. Dagegen hätte ich ja auch nichts, und dennoch kam ich, nicht zuletzt durch das betrachten der Fotos vom Wochenende, zu einem anderen Bild. Soweit ich das sehen kann liegen die Gemeinsamkeiten der Beteiligten im Interesse an Alternativen und frischen Gedanken, ein gewisses Interesse an Reflexion und Dialog ist vorhanden, und alle scheinen sich auf die eine oder andere Weise dem Kontext des Christentums zu zu ordnen.

Ich habe nichts gegen die Beteiligung von Menschen am Dialog, die bisher keinen Zugang finden. Dies ist eine der Motivationen, die mich dazu antreibt, mich überhaupt im Netzwerk Emergent Deutschland zu engagieren. Dennoch halte ich die Engführung auf eine gewisse Personengruppe für irreführend, und gehe auch weiterhin davon aus, dass sowohl die Beteiligung von Personen, die gegenüber Innovation aufgeschlossenen sind, immer eine gewisse Mehrheit haben wird, und dass sich diese mehrheitliche Beteiligung immer aus dem Querschnitt der Personen zusammen setzen wird, die sich im Umfeld von Gemeinden und Kirchen aufhalten und sich auf ihre Art mit dem Christentum verbunden fühlen. Diese Einschränkung verstehe ich nicht ausgrenzend, sie entspricht eher dem was ich für eine realistische Einschätzung halte. Dass in diesem Bereich einiges an unterschiedlichen Lebensentwürfen, Erfahrungen und Gedanken zu finden sind, davon bin ich überzeugt. Dass manches was in diesem Dialog gesprochen wird nicht meiner Meinung entspricht, weiß ich. Und dass dieser Dialog mich dadurch beständig herausfordert, mich selbst zu hinterfragen und meine Ansätze weiter zu entwickeln, liebe ich. Vielleicht bin es nur ich, aber aus meinen Augen sieht Emergent Deutschland ziemlich heterogen aus, mit einer Menge Potential konstruktive Gespräche zum Christsein zu ermöglichen, und alle Beteiligten zu inspirieren.

4 Reaktionen

  1. danke für diesen zweiten rückblick, daniel.

    ist es denn so wichtig, ein ganz breites spektrum zu haben? und wäre es schlimm, wenn emergent deutschland vor allem fragestellungen aufgriffe, die im weitesten sinne aus der auseinandersetzung mit einem evangelikalen „erbe“ (andere würden „mist“ sagen) erwachsen?

    niemand sollte leichtfertig behaupten, der dritte sei gefunden und umgesetzt. eher gibt es durch das alter der grosskirchen eine gewisse routine, die mehr dazu herausfordert, pragmatisch zu handeln und dinge anzugehen. man „steckt so drin“, dass man vielleicht eher überleben will etc. als sich nach was ganz anderem zu sehnen, was noch nicht konkret ist. und erst noch emergieren muss.

    hey, vielleicht bin ich wirklich ein soft liberal mit neugier in sachen spiritualität und komme aus evangelikaler sicht in die hölle? – ab einem gewissen alter fühle ich mich wenig herausgefordert zu schauen, ob ich vielleicht etwas zu einseitig geworden bin.

    habe überlegt, auf welche weise mich – nenen wir es grob – „die gegenseite“ herausfordern könnte. also es könnten mir evangelikale christen ja sagen, ich solle mehr von jesus reden und seine herausragende bedeutung für ein gelingendes leben unterstreichen und missionarischer sein etc. so funktioniert das aber nicht. denn ich würde dann gar nicht zuhören.

    ich denke: eigentlich ist es schon etwas ganz grosses, dass man sich gegenseitig wertschätzt und gemeinsam mal etwas macht und zeit verbringt, z.b. auf einem forum. das ist das eigentliche, wo die polaritäten gemeinsam auf einem dritten weg wandeln: mit den anderen zusammen. in diesem wechselspiel des austausches, aber nie so, dass ein dritter weg, der ganz anders ist, gefunden wird und streng nach plan abgearbeitet werden kann.

  2. […] Daniel Ehniss: Noch ein Blick auf das ef10 […]

  3. Hey Daniel,
    ich denke man kann nicht davon sprechen dass es ein „zuviel“ an Freikirche gab, aber bedauern, dass es ein „zuwenig“ an Landeskirche/Katholiken etc. gab. Ich habe die Rückmeldungen von anderen (auch nicht nur von Corinna) gehört, die ich eher als ein Hinweis für nächstes Jahr als eine harsche Kritik an diesem Forum verstehen würde. Zum Beispiel ist das Thema der Liturgiegestaltung für einen Landeskirchler oft ein brennenderes Thema als die Authorität der Bibel (ob das gut ist und zwangsläufig so sein muss ist ja ne andere Frage). Ich denke, wir reagieren hier (zu recht) auf eine mögliche Verkürzung auf ein Gemeinde- oder Gottesdienstkonzept alá Dan Kimbal und risikieren damit auch berechtigte Anliegen (die auf Interesse bei Landeskirchlern stoßen könnten) unterzurepräsentieren. Man kann natürlich nie alles ansprechen, vielleicht ist das nur eine Anregung für nächstes Mal.

  4. Vielen Dank für eure Kommentare.

    Danke auch, dass du einen konkreten Vorschlag gemacht hast Arne. Die konkrete Frage nach Liturgie- und Gottesdienstgestaltung ist auf jeden Fall eine spannende Frage.

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