Journalismus
Auf dem Weg ins Büro blieben meine Gedanken bei einer Zeile aus dem Lied »Brand New Carpet« von Bodi Bill hängen:
Keep me updated, keep me updated,
the newspaper is older than my jokes.
Auf dem Laufenden zu bleiben ist bei einer gewissen Anzahl von interessanten Menschen und Nachrichtendiensten, denen man auf Twitter folgt, und sporadischen Blicken auf deren Tweets, nicht schwer. Ereignisse aus aller Welt erreichen mich über Twitter binnen Minuten. Manche durch Verweise auf Berichterstattungen, andere von Augenzeugen oder Verweise auf solche. Durch diese Fülle an Information wirken Zeitungen, die sich vor allem auf Nachrichtenmeldungen konzentrieren veraltet, und ihre Zukunft wird (zurecht) in Frage gestellt. Ähnliches gilt für Nachrichtensendungen im Fernsehen.
Ich möchte auf dem Laufenden bleiben, und interessiere mich für vieles, dennoch stelle ich fest, dass mir zum Verstehen von Zusammenhängen und erst recht für die Bewertung von Ereignissen oft die Kenntnisse fehlen. Hier kommt meiner Ansicht nach die Fähigkeit von Journalisten zum Tragen. Durch ihr Wissen und die Zeitinvestition in gründliche Recherche ist es ihnen möglich Hintergrundinformationen zur Verfügung zu stellen, und so einen wichtigen Beitrag zur Berichterstattung der weltweiten Ereignisse zu leisten.
Es ist daher, meiner Einsicht nach, müsig über das Ende der so genannten alten Medien zu spekulieren, oder in jedem Fall Live-Berichterstattungen zu fordern. Die Aufgabe des Sondierens erfordert Zeit und eine gewisse Ruhe, so dass Informationen und Analysen gewinnbringend vermittelt werden können. Wenn sowohl aktuelle Meldungen als auch gut aufbereitete Informationssendungen zusammen kommen, werden wir, einfache Menschen, dazu befähigt Zusammenhänge zu verstehen und zu eigenen Meinungen zu gelangen. Die Aufgabe der Sammlung von Information und die Bewertung von Ereignissen hat immer etwas mit Meinungen und Schwerpunktsetzungen zu tun, daher gibt jede Redaktion ihre Meinung wider. Auch wenn dies auf der Hand liegt, bedarf es meiner Ansicht nach, der Erwähnung, da in der öffentlichen Diskussion ab und an die Tendenz zu entdecken ist, einzelne Redaktionen zu subjektiven Meinungsmachern zu degradieren und andere zu objektiven Boten der Wahrheit zu stilisieren.
Nach diesen ersten Gedanken interessieren mich eure Gedanken dazu, vielleicht dienen diese beiden Fragen als Anregung:
Wie bleibst du auf dem Laufenden?
Wie schätzt du die Aufgabe von Journalisten ein?
Wenn ihr eure Gedanken fomuliert habt, oder mehr Lust auf Ablenkung habt, empfehle ich euch das Video zu »Brand New Carpet« von Bodi Bill, aus dem die Zeile stammt, die mich zu diesem Eintrag inspiriert hat.
Ich schätze, die Aufgabe der Journalisten liegt genau in diesem Spannungsfeld zwischen „schnell“ und „tief“. Ein reflektierter, gut recherchierter Artikel zu einem brandaktuellen Thema wird immer mehr Aufmerksamkeit ziehen, wenn er da ist, wenn’s brennt und nicht 3 Wochen später. Allerdings vergeht mit der Zeit auch so manche Fehlinformation und die Dichte an recherchierbaren Medien wächst dem Journalisten zugute.
Mir persönlich reicht einmal am Tag (oder mehrmals am iPhone) ein Überblick zu news.google.de, um grob zu wissen, was Phase ist. Springer habe ich dort soweit es geht ausgeklammert.
Um tiefer in die Materie einzusteigen, lese ich gerne Zeit oder Spiegel – aber auch dafür brauche ich Ruhe.
Ein Journalist wird immer seine eigene Meinung bzw. Position einbringen, anders geht es ja gar nicht. Die Frage ist nur, in welchem Maß. Wenn die Meinung überwiegt, hast Du einen „Kommentar“, wenn sie fast nicht zu erkennen ist, eine sachliche Aufklärung, die dann auch mal langweilig werden kann.
So viel dazu aus meiner kleinen Kopfdisco.
Danke für deinen Kommentar. Mit dem Spannungsfeld „schnell vs. tief“ sprichst du natürlich etwas wichtiges an, das ich oben unberücksichtigt gelassen hatte.
Die „Meinung der Redaktion“ fließt meiner Ansicht nach bereits in die Auswahl von Informationen ein, wonach auch ein langweiliger Info-Artikel mehr Meinungsäußerung als objektive Berichterstattung ist.
Gute Punkte. Hier noch meine Kopfdisko:
Journalisten, ob on- oder offline, haben mindestens vier wichtige Dinge, die anderen fehlen: erstens, Zeit zum recherchieren. Die ist knapp, aber vorhanden. Zweitens, Kontakte. Nur so kommt man an Infos und kriegt spannende Interviews. Drittens, Zugang zu Informationsquellen, die anderen verschlossen bleiben (Meldungen der Nachrichtenagenturen, Presseverteiler von Organisationen). Viertens, eine gute Schreibe. Damit das Lesen Spaß macht. Das gilt nicht für alle Journalisten, aber für einige.
Mein Punkt: Journalisten wird es immer brauchen, selbst wenn die Papierzeitung sterben sollte.
Der Zeitdruck macht den Job der Journalisten nicht leichter. Aber die Kollegen vom Radio arbeiten seit bald hundert Jahren mit einem vergleichbar schnellen Medium. Das geht sehr gut. Anders als beim Radio redet im Internet (glücklicherweise) jeder mit; Recherchiertes mischt sich mit Meinung und manchmal mit Müll. Eine Aufgabe der Journalisten ist es, sich durch Qualität vom Noise abzuheben.
Vielen Dank für deinen Kommentar Maze. Ich hatte gehofft du würdest dich dazu äußern. Ich schätze vor allem deinen vierten Punkt – die gute Schreibe – vielleicht auch deswegen, weil sie bei mir noch weit davon entfernt ist gut zu sein. Genau wie du sehe ich die Notwendigkeit von qualitativ hochwertigen journalistischen Beiträgen.
Für den allgemeinen Überblick tendiere ich immer zu „schnell“ (also Newsticker, usw.).
Wenn ich aber „Bescheid wissen“ will, dann ist es mir auch wichtig mich mal mit einem längeren Artikel zu befassen, den eine Person geschrieben hat, die mehr Ahnung hat als ich und sich auch mehr Zeit genommen hat, um den Artikel zu durchdenken.
Ich glaube nicht, dass die Zeitungen aussterben werden, auch wenn sie vielleicht nicht mehr über jede Kleinigkeit einen richtigen Artikel bringen werden.