Ist streamen fair?
Mit der Einführung des Musik-Streaming-Dienstes Spotify in Deutschland tauchte schnell die Frage auf, wie fair es eigentlich den Künstlern gegenüber ist, einen solchen Dienst zu nutzen und nicht – wie bisher – die Alben zu kaufen.
Einer der besseren Artikel zu diesem Thema erschien im Popblog auf taz.de. Dort wurde zum Beispiel angeführt, dass Spotify pro gespieltem Lied 0,4 Cent ausbezahlt. Dieses Geld teilen sich die Künstler aber noch mit ihren Verlagen und Labels, dennoch will ich ihn mal als Vergleichswert ansetzen, da dies ja auch in den meisten Fällen des Albenverkaufs der Fall ist.
Um das Ganze für mich etwas greifbarer zu machen, wollte ich das mal an einem Album exemplarisch durchrechnen.
Ein Beispiel aus meinen last.fm-Charts: Das Album Rue Royale von Rue Royale. Dieses Album steht mit 393 gespielten Liedern an der Spitze meiner Charts. Würde ich nun, wie Spotify 0,4 Cent pro Lied an Rue Royale bezahlen, dann hätte ich bisher einen Betrag von 157,2 Cent erhört.
Tatsächlich kostet es, in deren Shop als CD 961 Cent oder als Download 480 Cent. Wobei der Download-Preis aus meiner Sicht am Besten vergleichbar ist, denn die CD, als solche, leihe ich mir von Spotify ja auch nicht aus.
Höre ich mir die Downloads dann 393 Mal an, bezahle ich für ein gehörtes Lied 1,22 Cent. Für 39 Mal durch das Ganze Album hören bezahle ich dann jeweils 12,3 Cent.
Bei iTunes kostet das Album 899 Cent. Das ergibt bei der erwähnten Abspielrate pro Lied 2,29 Cent. Was auf das ganze Album für einmal durchhören 23,05 Cent macht.
In dem Artikel des Popblogs auf taz.de wird ja auch die 10-Euro-Mitgliedschaft in Hörgewohnheiten umgerechnet. Wenn ich also entsprechend der iTunes-Vergütung Spotify hören möchte, dann sollte ich für 1000 Cent Mitgliedschaft pro Monat nicht mehr als 43 Alben durchhören.
Meine Musikerfreunde sagen zwar, dass iTunes auch eher unfair ist, da relativ wenig Geld beim Künstler selbst ankommt, dennoch betrachte ich diesen Vertriebsweg mal als sehr weit verbreitet.
Was denkt ihr dazu?
Mir könnte bei der ganzen Thematik der Kragen platzen. Weil:
(1) Es wird nicht weniger für Medien ausgegeben, sondern anders verteilt. Im Bereich Musik: Es gibt einfach viel mehr Künstler, die man auch noch duch z.B. Last.fm viel besser entdeckt. D.h. Die Ausgaben für Musik verteilt sich auf mehr Künstler. Auch die Berechungen über Verluste der Medien-„Industrie“ (was auch eher eine neuere Erfindung ist) sind eher fragwürdig: dazu passend https://www.youtube.com/watch?v=GZadCj8O1-0 Zudem ist die Musikbranche ökonomisch eher nicht so wichtig und Kultur wird es auch ohne voll bezahlte Künstler geben. Könntet ihr (liebe Künstler oder eure Interessenvertretungen) bitte aufhören ständig irgendwelche Unwahrheiten zu verbreiten?
(2) Wer sagt eigentlich, das Künstler diesen bestimmten Satz für Musik verdienen müssen (streng juristisch)? Die Digitalisierung ändert disruptiv Alles. D.h. der Musiker muss sich vermehrt um andere Einnahmen (Konzerte, T-Shits,…) kümmern. Genau das taucht aber in den Berechnungen nie auf. Spielen Künstler heute mehr Live? Verdienen sie in der Summe also wirklich weniger? Die digitale Kopie wird weniger Wert, also muss man sich über zusätzliche Dinge querfinanzieren.
(3) Der Spotify (oder Streaming) Premium User zahlt 10 EUR im Monat, dass sind 120 EUR im Jahr. So viel würde ich sonst nicht für CDs ausgeben, weil man viele Sachen doch nur einmal hört oder nur ein bestimmten Song mag. Oder das sind 120 einzelne iTunes Tracks (verreinfacht mit 1 EUR/Track gerechnet). Was bei der Menge an Musik nix ist (je nach Trackanzahl 10 Alben). Also 120 EUR im Jahr für eine Flatrate plus eine Menge Konzerte – mehr ist bei mir nicht drin.
(4) Kickt eure Labels raus. Dann bleibt euch knapp doppelt so viel. Die meisten Dienstleistungen können heute (vor allem Dank Internet) selbst erbracht werden.
(5) Heult nicht, freut euch das Menschen so gerne eure Musik hören und eure Konzerte besuchen. Kleiner Tipp: Fans sind eher bereit für besondere Dinge zu bezahlen: Spezialeditionen,…
Kleine Korrektur: Ich meine mich zu erinnern, dass Spotify 0,4 Eurocent (und nicht 0,04 Eurocent) pro Anhören bezahlt.
Vielen Dank für deinen Kommentar Ruben.
Den Betrag, den Spotify ausbezahlt habe ich verbessert. Danke.
Hmja.
Zum einen finde ich Rubens Punkt Nr. 2 gut – die Einnahmequellen ändern sich, und wenn die Künstlerinnen und Künstler eben über die schickeren Shirts und besseren Shows ihr Auskommen finden, warum nicht. (Dazu auch Punkt 4: DIY, DIY und nochmals DIY… Bandcamp, Kickstarter und Konsorten.)
Zum anderen frag ich mich grad, welches „Konsumverhalten“ bei Daniels Rechnung zugrundeliegt. Weniger wegen der Anzahl der gehörten Tracks… Interessant fände ich eher, ob das Gros der spotify-Nutzer sich stattdessen keine CDs/Downloads mehr kauft. Oder ob das tendenziell diejenigen sind, die sonst bei Grooveshark gehört haben bzw. sich die Musik illegal herunterladen -dann entsteht der „Industrie“ und den Künstlern ja kein Schaden, sondern Mehrwert: durch zum Zahlen konvertierte Konsumenten.
Auch wenn ich gerne noch tatsächlich Musiker zu dem Thema hier hören würde, und ich selbst keinesfalls Fachmann bin, möchte ich zu Punkt 4 ergänzen, dass es eine Reihe von Dingen gibt, die eine Musikerin oder ein Musiker sehr viel einfacher, oder ab und an vielleicht überhaupt nur dann erreichen kann, wenn sie oder er ein Label hinter sich hat. Dazu gehört vor allem die Aufmerksamkeit der so genannten alten Medien. Zeitschriften und Radiostationen berichten, soweit ich weiß, am ehesten über jemanden, von dem sie Material zugesendet bekommen, was Labels meist einplanen. Darüber hinaus sei der Labelcode wohl wichtig für ein Album. Damit kenne ich mich jedoch tatsächlich nicht so gut aus.
Ob eine Künstlerin oder ein Künstler in eigener Regie ihre oder seine Musik bei den geläufigen Streamingdiensten unterbringt, wenn sie oder er nicht zumindest einen Vertrag mit einem Vertrieb hat, frage ich mich darüber hinaus gerade noch. Ich denke es ist vieles in eigener Regie möglich, das System „Musikbranche“ jedoch ist an einigen Stellen jedoch – wie jede andere Branche – an herkömmlichen Vorgängen orientiert.
Im erwähnten Artikel des Popblogs der Taz wurde ja darauf hingewiesen, dass Streamingdienste wie Spotify „Piraterie“ von Musik obsolet machen, da es durch sie möglich ist auf so gut wie jedes Musikstück zugreifen zu können. Auf diese Weise wird sehr wahrscheinlich auch wieder mehr Geld in diesem Bereich fließen.
Für mich stellte sich die Frage dieses Blogeintrages auch in der Tat deswegen, weil es mich interessiert, ob auch mit einem solchen Modell Musikerinnen und Musiker von ihrer Kunst leben können. Das werden die Großen wohl auch weiter können, doch ist es auch für Kleinere möglich?
Hi Daniel,
Haben „kleinere“ nicht auch vorher schon von den von Ruben angesprochenen Einnahmequellen gelebt?
Und wer weiß, vielleicht haben die Streaming-Dienste ja gerade für unbekanntere Musiker und Bands auch noch den viralen Effekt, was letztlich zu mehr Bekanntheit führt…
Grüsse
Ein Mitschnitt zum Rant von Sven Regener (Element of Crime) wurde kürzlich hier per Kommentar vorgeschlagen. Den Link habe ich nicht veröffentlicht. Der Rant und die Diskussion darum hat mich geärgert, und ich halte vieles davon immer noch für nicht zielführend. Interessant hingegen finde ich folgenden Blogeintrag von Johnny Haeusler (spreeblick.com) – http://lies.es/v
@ Daniel
Aber trotzdem zeigt die Meinung von Sven Regener ganz gut das Problem. Viele Künstler selbst haben nix verstanden. Und die andere Seite hat sich auf das klopfen von Sprüchen verständigt.
Inzwischen bin ich der Meinung, dass man ganz generell an Kultur (also auch Musik) nie einen „industriellen“ Anspruch stellen sollten. Denn damit gemeint ist das großflächige Verwalten von Rechten – aber davon haben selten die Künstler etwas, noch die Kultur an sich.
Der Vorgang, dass sich zunehmend jeder selbst verwalten und vermarkten kann, trifft im Prinzip viele Bereiche. Ordentlich angestellt, profitieren viele (Gesellschaft, Künstler,…), nur nicht die Vermittler (die werden nahezu überflüssig).
Ich wünsche mir, dass mehr Menschen dieses Prozess mitgestalten. Nur auf seinem eigenen Standpunkt stehen bleiben, geht gar nicht und führt letztlich zu großen Kollateralschäden. Und genau das werfe ich der Musikbrache und auch Sven Regener vor.
Ich selbst führe die Streaming-Diskussion nun auch schon seit einigen Monaten und bin immer wieder überrascht, dass ein Aspekt völlig ausgelassen wird.
Für mich ist Spotify (und damit Streaming) nur eine Ergänzung zum Kauf. Es gibt genügend Künstler, die ich einfach »nicht oft genug« höre, um mich zum Album-Kauf zu überreden. Die höre ich per Spotify.
Sobald mir ein Album aber wirklich gut gefällt, *kaufe* ich es – entweder bei iTunes oder bei Amazon. Und solange es nicht in einer lieblosen Plastik-Knarz CD Hülle verkauft wird, auch gern als Datenträger.
Spotify hat – bei mir – dazu geführt dass ich einerseits *mehr* Musik höre, aber auch *mehr* Musik kaufe.
Bestes Beispiel: Die Glitch Mob Platten habe ich in Deinen Spotify-Listen entdeckt, dann tagelang gestreamt + offline gehört und anschließend bei iTunes geshoppt.
(Und ich befürchte mir wird es mit Robot Koch genau so gehen…)