suchen und glauben
ZEIT: Aber beide, sowohl der Priester in der Kathedrale als auch der Physiker am Cern, behaupten, die Wahrheit zu verkünden.
Randall: Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob der Priester die Wahrheit auch gesucht hat oder immer nur glaubt, sie schon zu kennen. Wissenschaftler jedenfalls suchen die Wahrheit.
Ich habe Randalls Buch „Warped Passages: Unraveling the Mysteries of the Universe’s Hidden Dimensions“ (Ecco, 2005) gelesen und war/bin seither begeistert von ihrer Fähigkeit, komplexe wissenschaftliche Sachverhalte in einfache Worte und Bilder zu transformieren.
Daher war ich beim Lesen des Interviews letzte Woche ziemlich entsetzt, wie die beiden Interviewer die Wissenschaftlerin und ihre Intentionen konsequent missverstehen können, und ihr z.T. in Fragen bereits irgendwelche Absichten unterstellen, die sie dann erstmal wieder aus der Welt schaffen muss, bevor sie überhaupt inhaltlich antworten kann.
Randall muss beispielsweise mehrmals erklären, wie Physiker arbeiten – und das, obwohl einer der Interviewer (Rauner) selbst über Quantenoptik promoviert hat! Dadurch dreht sich das Interview ständig auf der Stelle, und man erfährt nur wenig über die aktuellen eigentlichen Inhalte ihrer Arbeit. Immerhin wissen wir jetzt, wer von den dreien alles getauft ist.
Ich wurde das Gefühl nicht los, dass sich die Interviewer in ihren Fragen verheddern, weil sie sich keine klare Linie für das Interview zurecht gelegt haben. Und Fragen wie „Wie können Sie über Sachen nachdenken, die unsichtbar sind?“ erwarte ich durchaus in der KinderZEIT, aber in einem ganzseitigen Interview finde ich sie eher befremdlich. Insofern fand ich das Interview an sich ziemlich mau, auch wenn Randall mal wieder mit einigen schönen Aussagen glänzen konnte – siehe Dein Zitat oben, oder auch:
„Es ist [mit moralischen Entscheidungen] wie mit der Musik: Sie zu verstehen bedeutet mehr, als nur zu beschreiben, wie die Atome in unseren Ohren schwingen. Dies ist zwar die Voraussetzung für die Wahrnehmung von Musik, aber wir würden nicht sagen, dass Musik in der Schwingung von Atomen besteht. Genauso ist die Moral mehr als Physik, aber es liegt unseren moralischen Entscheidungen eine physikalische Struktur zugrunde.“