Sturm im Wasserglas
Das Thema des letzten Artikels möchte ich nochmals kurz aufgreifen, und in Beziehung zu einem Aspekt des Filmes »Sturm« stellen, den wir uns am Samstag Abend angesehen haben.
Im Prozess um den Ex-General Goran Đurić am internationalen Gerichtshof in Den Haag verzettelt sich ein Zeuge in Widersprüchen, als er mit den Gegebenheiten vor Ort konfrontiert wird. Es stellt sich heraus, dass er nicht selbst Zeuge dessen war, was er vor Gericht bezeugen wollte. Die Chefanklägerin Hannah Maynard findet über Umwege zur Schwester des Zeugen, und stösst auf eine schreckliche Wahrheit. Der Angeklagte war nicht nur ein „Rädchen im System“ und führte unmenschliche Befehle aus, sondern stand einem Hotel vor, in dem verschleppte Frauen missbraucht wurden. Der Film schildert eindrücklich wie diese schreckliche Wahrheit im diplomatischen Vorgehen und unter dem Deckmantel des größeren Ganzen unter den Teppich gekehrt werden soll – natürlich durch mächtige Männer.
Gemeinsam mit der Zeugin riskiert sie ihren Beruf und das Gerichtsverfahren und bringt, auch nach eindringlicher Aufforderung zum Schweigen, die Geschehnisse in besagtem Hotel zur Sprache. Das verschweigen von sexueller Gewalt, auch unter edlen Vorwänden, scheint zutiefst dem patriarchalen Habitus zu entsprechen. In einer gerechten, postpatriarchalen Gesellschaft, sollte es meiner Ansicht nach dieses Verschweigen und Verschleiern nicht mehr geben. Geschehnisse dieser Art müssen zur Sprache kommen.
Wenngleich es im Falle »neo paradise« um sexuelle Gewalt von anderer Gestalt geht, ist es nicht hinzunehmen, dass es von Seiten des ZDF in einer Pressemeldung (nach jetzt.de) heißt: »Unsere Sendung ’neoParadise’ ist Satire – entsprechend nehmen unsere Zuschauer sie auch wahr.« Diese Art der Satire dient nicht der Unterhaltung, sondern wie das im Zusammenhang mit dem Vorgang von den Moderatoren geäußerte zeigt, der Entwürdigung einer Person. Hier wurde zwar in der Situation eine Grenze überschritten, dass jedoch niemand aus dem Team, der Redaktion und der Sendeleitung – auch wenn sie spontan aussehen, sind diese Sendung am Wenigsten das – auf die Entwürdigung und die für einen Gag instrumentalisierte sexuelle Gewalt aufmerksam wird, weißt auf den patriarchalen Habitus hin.
Im Artikel »Die Grenze überschritten« auf jetzt.de kommt die Psychologin und Psychotherapeutin Tatsanie Inthraphuvasak zu Wort, und gibt folgendes zu bedenken:
Die Psychologin und Psychotherapeutin Tatsanie Inthraphuvasak von der Beratungsstelle „Wildwasser“ sieht in der fragwürdigen Mutprobe einen „zweifachen Schlag für Menschen, die sexuelle Übergriffe erlebt haben“. Dass aus einer sexuellen Belästigung ein Gag gemacht werde, „lädt gerade dazu ein, solche Übergriffe als Kavaliersdelikte zu verharmlosen, wie es sowieso schon ständig geschieht,“ sagt Inthraphuvasak. Genauso problematisch findet sie Heufer-Umlaufs Dusch-Kommentar nach der Attacke. „Menschen, die sexuelle Gewalt erfahren haben, vermittelt das: Ihr stellt euch ja nur an. Dabei bezweifle ich, dass die beiden nachfühlen können, wie sich jemand nach einem solchen Übergriff fühlt.“
Quelle: juliane-frisse und Christina Wächter, Die Grenze überschritten, jetzt.de
In der Hoffnung auf eine Gesellschaft, in der über solches nicht mehr gelacht wird, ja es nicht mehr „zum guten Ton von Satire gehört“ sexuell ausfällig zu sein – meist in Herabwürdigung von Frauen, und sich Frau keine beleuchteten sicheren Wege zum joggen mehr wünschen muss, da sie sicher sind, griff ich dies nochmals auf. Es handelt sich bei sexueller Gewalt nicht um einen Sturm im Wasserglas, der sich leicht beruhigen lässt, sondern um einen verachtenden und lebensfeindlichen Impuls, so harmlos und belustigend er dem ein oder anderen erscheinen mag.