Kritik, die verändert
Am Wochenende empfahlen mir zwei Freunde mal wieder das Buch »The Prophetic Imagination« von Walter Brueggemann zu lesen, und da mich die angesprochenen Gedanken interessierten nahm ich das Buch nun auch tatsächlich zur Hand.
Momentan bin ich zwar noch nicht über Passagen gestolpert, die mich bei Fragen zu einer »zweiten Naivität« unterstützen, allerdings fielen mir ein paar Gedanken zu Kritik und Veränderung auf, die ich hier zitieren möchte:
Criticism is not carping and denouncing. It is asserting that false claims to authority and power cannot keep the promises, which they could not in the face of the free God. […] I will urge later that the real criticism begins in the capacity to grieve because that is the most visceral announcement that things are not right. Only in the empire are we pressed and urged and invited to pretend that things are all right—either in the dean’s office or in the marriage or in the hospital room. And as long as the empire can keep the pretense alive that things are all right, there will be no real grieving and no serious criticism. (11)
Bringing hurt to public expression is an important first step in the dismantling criticism that permits a new reality … (12)
In the narrative, criticism moves and builds. The grieving cry learns to turn away from false listeners and turn towards the one who can help. Prophetic criticism, as Dorothee Soelle has suggested, consists in mobilizing people to their real restless grief and in nurturing them away from cry-hearers who are inept at listening and indifferent in response.(13)
Quelle: Walter Brueggemann, The Prophetic Imagination, 11-13.
Nach Brueggemann führt prophetische Kritik zu einer alternativen Gesellschaft, die geprägt ist von Freiheit und Mitgefühl, auf dem Weg zu dieser alternativen Gesellschaft ist die Erkenntnis notwendig, dass nicht alles gut ist. Sich dies einzugestehen führt zu Trauer über das Unrecht und ermöglicht es die Verletzung öffentlich zu machen. Kommt es in diesem Prozess dann zu wahrem Verstehen, ist eine alternative Gesellschaft möglich, da sich die Realität ändert.
In den letzten beiden Wochen sahen wir mit #aufschrei die ersten Phasen dieser verändernden Kritik, und ich hoffe, dass wir über wahres Verstehen zu einer alternativen Gesellschaft gelangen, in der gegenseitige Achtung und Wertschätzung das Miteinander prägen und damit Sexismus und Unterdrückung nicht mehr Teil des Alltags sind.