Gemeinwohl in der Weltgemeinschaft
Zygmunt Bauman spricht im ersten Kapitel von ›Collateral Damage: Social Inequalities in a Global Age‹ von Faktoren an denen eine gut funktionierende Demokratie erkannt werden kann. Im weiteren Verlauf des Kapitels legt er nachvollziehbar den schwindenden Einfluss des Nationalstaats dar.
»What was essentially expected or hoped to be achieved in the agora was the reforging of private concerns and desires into public issues; and, conversely, the reforging of issues of public concern into individual rights and duties. The degree of democracy of a political regime may therefore be measured by the success and failure, the smoothness and roughness of that translation: to wit, by the degree to which its principal objective has been reached, rather than, as is often the case, by staunch obedience to one or another procedure, viewed wrongly as the simultaneously necessary and sufficient condition of democracy – of all democracy, of democracy as such.«
Weder Gehorsam gegenüber der Obrigkeit noch die Höhe der (Wahl-)Beteiligung sind demnach entscheidende Faktoren einer gut funktionierenden Demokratie, sondern wie gut sie es schafft die privaten Bedürfnisse in öffentliche Themen zu übertragen, und andersherum die öffentliche Themen in private Rechte und Pflichten zu transferieren. Das Gemeinwohl wäre demnach der bestimmende Faktor an dem sich eine gut funktionierende Demokratie messen lassen kann. So verstanden dient die Demokratie ähnlich einer kollektiven Absicherung für privates Unglück und der damit verbundenen Konsequenzen.
»A state is ‘social’ when it promotes the principle of communally endorsed, collective insurance against individual misfortune and its consequences.«
»We now have power free from politics, and politics devoid of power. Power is already global; politics stays pitifully local. Territorial nation-states are local ‘law and order’ police precincts, as well as local dustbins and garbage removal and recycling plants for the globally produced risks and problems.
There are valid reasons to suppose that on a globalized planet, with the plight of everyone everywhere determining the plight of all the others while being determined by them, one can no longer assure and effectively protect democracy ‘separately’: in one country, or even in a few selected countries, as in the case of the European Union. The fate of freedom and democracy in each land is decided and settled on the global stage; and only on that stage can it be defended with a realistic chance of lasting success.«
Die von Max Weber identifizierte Unterscheidung von privatem und öffentlichem Interesse, erfährt laut Bauman in der Globalisierung in gewissem Sinne eine Wiederholung. Ging es bei Weber um die Verschiebung von persönlichen zu staatlich-öffentlichen Bereichen, bezieht sich die Wiederholung auf die Verschiebung von staatlichen Interessen hinzu globalen Bezügen. Die Bedeutung des Nationalstaates nimmt ab. Dieser hat immer weniger Einfluss auf das Gemeinwohl, da sich das Leben in globalen Zusammenhängen abspielt und somit die Auswirkungen über die Grenzen hinweg bewegen.
»The ‘social state’ is no longer viable; only a ‘social planet’ can take over the functions that social states tried, with mixed success, to perform.
I suspect that the vehicles likely to take us to that ‘social planet’ are not territorially sovereign states, but rather extraterritorial and cosmopolitan non-governmental organizations and associations; those that reach directly to people in need above the heads of and with no interference from the local ‘sovereign’ governments.«
Gemäß der eben angedeuteten Abnahme des Einflusses von Staaten, spricht Bauman im folgenden vom ›Sozialplanet‹ im Sinne einer Weltgemeinschaft innerhalb der das Gemeinwohl der bestimmende Faktor ist. Hierfür werden Staaten nicht als die gestaltende Kräfte verstanden, vielmehr erwartet er hier die Wirkung von kosmopolitischen Nichtregierungsorganissationen.
Ausgehend von der Beobachtung, dass es in allen Gesellschaften Personen(-Gruppen) gibt deren Wohl nicht eingeplant ist, spricht Bauman von der Bedeutung der Weltgemeinschaft, und weist dadurch auf darauf hin, dass es in der Weltgemeinschaft Personengruppen gibt über die hinweg entschieden wird, und deren Unglück im Nachhinein als Kollateralschaden bezeichnet wird. Die Verantwortung für das Gemeinwohl der Weltgemeinschaft bezieht sich meiner Ansicht nach auch auf den Umgang mit dem Planeten, über den aktuell hinsichtlich des Klimawandels gesprochen wird.
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