Ist Wohlstand ohne wirtschaftliches Wachstum möglich?
John Cassidy schreibt für das Magazin The New Yorker (Feb. 10, 2020) einen Artikel über Degrowth: Steady State – Can we have prosperity without economic growth?. Diesen beginnt er mit einer Vision für die Wirtschaft der Enkelkinder von John Maynard Keynes aus dem Jahr 1930, in der er einen Blick auf die Wirtschaft im Jahr 2030 warf und davon ausging, dass die Arbeitszeit auf 15 Wochenstunden reduziert sein würde. Die Gesellschaft sei in diesem Zeitraum so reich geworden, dass mehr Arbeit nicht mehr notwendig sei, und sich die Meinung durchgesetzt habe dass es sich bei der Liebe zum Besitz von Geld um eine widerliche Morbidität handle.
Der Artikel lohnt sich sehr zu lesen, nicht zuletzt weil er die Degrowth Bewegung kritisch würdigt und ihr eine verändernde Wirkung auf gesellschaftliche Werte und Produktionsmuster bescheinigt. Vier Aspekte dieser verändernden Wirkung zeigt er im letzten Teil auf:
- Grünes Wachstum ist angesichts der Umweltbedrohung und der Notwendigkeit ärmere Länder zu unterstützen notwendig. Vor allem dann, wenn grün stärker betont wird als Wachstum. Hierzu zählt er die Anstrengungen die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen indem kräftig in erneuerbare Energien investiert wird, Kohlekraftwerke abgeschaltet werden und eine CO2-Steuer eingeführt wird. Auf diese Weise wird das Verbrennen fossiler Energien teurer und es fließt Geld in die Kassen, das wiederum für grüne Investitionen und die Entlastung der Bevölkerung eingesetzt werden kann.
- Energieeffizienz ernst zu nehmen betrachtet er als sehr wichtig. Darunter versteht er energetische Sanierung von Gebäuden, Autos die weniger Energie verbrauchen, den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel und die Senkung des Energiebedarfs der Industrie.
- Eine Arbeitsmarktreform ist seiner Ansicht nach notwendig, um die Auswirkungen des langsamer wachsenden Bruttoinlandsprodukt abzufedern. Dafür sind Arbeitsteilung und das Bedingungslose Grundeinkommen zentral. Diese Reform wird mit höheren Steuern für Wohlhabende einhergehen, einer Umverteilung also, die er für geboten hält.
- Abschließend ist seiner Ansicht nach ein umdenken bezüglich Wirtschaftswachstum unerlässlich. Dieses Umdenken wird dabei helfen den wettbewerbsartigen Konsum zu überwinden, und damit auch die Notwendigkeit der Expansion schwächen.
In Anlehnung an Keynes spricht er meiner Ansicht nach etwas zu stark von der Hinwendung zu den Künsten, wenn die sozialen Werte und Produktionsmuster verändert werden, und etwas zu wenig von Care-Arbeit, die nicht minder wichtig ist, und der in diesem Zusammenhang ebenfalls mehr Aufmerksamkeit zukommen muss.
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